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Hallo und willkommen !
Wenn Du weißt, warum Du hier bist und was Du willst, bist Du einen Schritt weiter als ich. Ich gehöre grundsätzlich nicht zu jenen Menschen, die unablässig an Ihrer Selbstdarstellung arbeiten, einen gehypten Instagram-Account pflegen und Fotos von Ihrem Essen posten. Mein Ego ist eigentlich auch groß genug, Aufblasen nicht notwendig.
Aber neuerdings werde ich manchmal Opfer von Eindrücken. Und dann wirst DU Opfer von Ausdrücken. Denn was raus muss, muss raus, wissen vor allem die Omas dieser Welt.
Ich kann Dir nicht sagen, WANN etwas raus will, oder WARUM. Von Zeit zu Zeit muss ich einfach Gedanken formulieren, die von innen gegen den Kopf drücken, bis mir der Schädel zu platzen droht. Sicher, ich könnte auch die Schädeldecke punktieren, um den Druck zu minimieren, aber mangels Fachkenntnis vermutlich nur einmal.
Also fühl Dich eingeladen, mein Ventil zu sein ! Folge mir in meinen Kopf, wie Alice im Wunderland dem Hasen in seinen Bau. Du wirst nicht alles verstehen, Du wirst vieles nicht mögen, manches wird Dir belanglos und nicht zielführend erscheinen. Garantiert sind nicht alle Inhalte politisch korrekt, erschöpfend empirisch belegt oder fachlich fundiert.
Ich bin nicht dazu da, Dein Leben leichter zu machen, aber ich verspreche Dir, dass es nicht langweilig wird.
Dein Axel
Touring Station.
Heute : der Ehrlingshof in Niedersachsen.
Ich will ja nicht jammern. Wirklich. Touring Fahrer sind ja Meister des Verzichts und der Selbstkasteiung. Glauben zumindest die Anderen. Aber die letzten Wochen waren heftig. Privat wie beruflich. Von der verrückt gewordenen Welt um mich herum rede ich gar nicht. Hat da gerade meine Nachrichtenikone Susanne Daubner zur Hauptsendezeit in der Tagesschau verkündet, dass der Ötzi vermutlich doch ne Glatze hatte und die Geschichte der Welt nun umgeschrieben werden muss? Sicher, der DJ Ötzi hat 1,8 Millionen tägliche Hörer bei Spotify. Das bedeutet, dass, bei 1,2 Millionen schwer hörgeschädigter in Deutschland, 600.000 Menschen ihn absichtlich hören. Gruselig. Aber um ich, sein albernes weißes Strickmützchen und die darunter liegende Follikelödnis geht es gar nicht. Es geht um den Alpenüberquerer von Anno Tobak. Der hatte offenbar nur einen einzigen Follower und der war tödlich. Ist wirklich nichts wichtigeres passiert, Frau Daubner? Ich muss hier raus. Jetzt. Schnell. Kurzfristig. Touring Time!
Ich habe meinen Kollegen bei der Life-Life-Balance geholfen und ungewollt einige Überstunden angehäuft. Das Büro ist besetzt und nicht einmal Bandproben stehen an. Zusammen mit dem angekündigt sonnigen Wochenende macht das vier mögliche days of extreme chillin. Diesmal ich alleine.
Zunächst forsche ich online nach „Campingplatz“ mit den Suchkriterien „Strom, Dusche, WLAN“ und : maximal 25 Stellplätzen. Denn: Ich habe meine Erfahrungen mit „Düne 6“ und dem „Südseecamp“ bereits gemacht, Erfahrungen, die mich aus meiner Komfortzone trieben und deutlich weiter weg von Wohlfühlmomenten brachten als es die großflächig angepriesenen Wellnessoptionen vermuten ließen. Vergleichbar mit Blinddarm. Man kann die Schmerzen nicht beschreiben, man muss es einmal mitgemacht haben. Aber wenn sie vorbei sind, kommen sie nicht wieder. Ok, ich habe mir vorgenommen, irgendwann auch mal auszuprobieren, ob es in Schillig tatsächlich chillig ist. Muss aber nicht sofort sein. Wenn ihr auch lieber den Eriba neben zwei andere unter lauschige Bäume stellt, ohne dass eine straßentaugliche Version der „Vison Of The Seas“ euch die Sonne verdunkelt und ihr bei dem Gedanken gerade überlegt, ob ihr den 70 € Zubehör Mülleimer Eurer Hymer Aufbautür vollkotzen sollt, bleibt gerne dran.
Diesmal will ich sowas explizit nicht. Ich lerne ja dazu. Wenn ich diese Erfahrungen wiederholen möchte, kann ich mich ja jederzeit auf einen beliebigen bundesweiten Großparkplatz zwischen bewohnte 40 Tonner stellen. stellen. Gibt’s an Wochenenden auf jedem Autobahn Rasthof gratis. Sicher auch in Deiner Nähe.
Weiter im Text. Ich finde schließlich den „Ehrlingshof“ in Niedersachsen, irgendwo Nähe Diepholz oder so. Nach all dem Deep Bullshit der letzten Zeit ist vielleicht Deep Holz das logische Ausstiegsszenario. Egal. Die Fotos sind toll, alles sehr idyllisch, grün und überschaubar. Gestresste Hühner, dröge Schafe und Hängebauchschweine. Super, da falle ich nicht auf. Und ein zutraulicher Hofhund, der Essen klaut, wenn man nicht aufpasst. Die Hündin heißt tatsächlich Layla und ich frage mich, der kürzliche Shitstorm wegen des unsäglich schlecht gemachten gleichnamigen Songs bei Ihr seelische Narben hinterlassen hat. Und erst die Online Bewertungen des Hofes. Vor allem die Inhaber sollen sehr nett sein, herzlich und freundlich, alles extrem liebevoll und familiär, quillt es aus den wenigen zu findenden Zeilen. Gleich drei ungefütterte Facebook-Profile hat der Hof. Alle drei rufen mich als analogen Haptiker zu sich wie die Sirenen dereinst Odysseus. Wer Facebook kennt, aber es nicht braucht, macht alles richtig. Es klingt nach Frieden, Ruhe und dem, was ich suche. Touring-Country, die Parkmöglichkeit für Zeitkapseln zwischen Mittelerde und Taka-Tuka-Land. Da will ich hin! Einen unkomplizierten Anruf später ist alles klar, wir sehen uns morgen Nachmittag, die nächsten vier Tage gehör ich Euch!
Die Fahrt dauert dreieinhalb Stunden. Easy going. Der 530er hängt, wie immer, stoisch stoisch hinten dran und scheint mich schieben zu wollen. Er riecht wohl, wohin es geht.
Als ich die Bundesstraße verlasse und über einen asphaltierten Feldweg laut Google meinem Ziel immer näher komme, halte ich nach der betörend bilderbuchartigen Birkenallee Ausschau, die ich in einem YouTube Video gesehen hatte, in welchem ein engagiert freundlicher Ingenieur oder Lehrer (kann ich nicht beweisen, aber er roch doch stark nach Weltrettung), sich von seiner minderjährigen Tochter filmen ließ, während er umher radelte und den Hof vorstellte. Heutzutage undenkbar natürlich wegen Kinderarbeit, mangelndem Helm und fehlender Einverständniserklärung der Bewohner, die zwar nicht zu sehen sind, aber zu sehen sein hätten KÖNNEN.
Ich biege rechts ab und erreiche die wirklich grandiose Allee. Wunderschön. Und ein natürliches Hindernis für Riesenwohnmobile und Monstergespanne. Ein so festlich in weiße zwanzig Meter hohe Baumrinde gefasster 90 Grad Winkel ist ein natürliches Hindernis für die Dysfunktions-Kompensierer in ihren rollenden Plattenbauten. „Du kommst hier nitt rein!“ scheinen sie zu postulieren. Wie die Hunde von Zuul in Ghostbusters. Nur schöner. Ein bisschen komme ich mir vor wie Atreju , der auf der Suche nach dem Mittel gegen das „Nichts“ in der unendlichen Geschichte an den Sphinxen vorbei muss.
Ich durchfahre schliesslich die einzige Einfahrt, welche sich nur durch das „Durchfahrt verboten“ Schild auszeichnet, welches es zu ignorieren gilt, und versuche mich zu orientieren. Kein Hinweis mit „Rezeption“ oder „Eingang“. Keine Wartespur. Kein Ankunftstellplatz. Niemand zu sehen. Die Sonne scheint, Vögel zwitschern, Bäume rauschen. Ich halte einfach erstmal an und sehe mich um. Zu meiner rechten entdecke ich dann einige Meter entfernt einen reiferen Herrn mit Kappe engagiert an einem Aufsitzmäher hantieren. Ich lasse die Seitenscheibe herunter und rufe freundlich „Hallo!“ und „wo muss ich denn hin?“.
Die Antwort kommt unerwartet. „Zuerst mal steigst Du mal aus, sonst passiert hier gar nix!“
OK, denke ich, schalte den Motor aus und gehe zu ihm rüber. Kann ich auch. „Wir hatten telefoniert“ sage ich, „ich möchte bis Sonntag bleiben weil hier alle so nett sein sollen. Wann genau fängt das denn an?“ Er betrachtet mich kritisch, seine Mundwinkel formen ein ebenso unerwartet einnehmendes, sehr persönliches Lächeln. Er streckt mir seine Hand entgegen und stellt sich mit Vornamen vor. „Ich bin Axel“ erwidere ich. Alles geklärt. Er spricht meine Sprache.
Dann wird es herrlich oldschool. Er lässt alles sprichwörtlich stehen und liegen. Das Rasenmähen ist unwichtig, nur ich, der Gast, zähle jetzt. Der Ehrlingshof hat mir seinen multifunktions-Consciergemit Gastgeber-Diplom geschickt, der sich ab sofort um mich kümmert. So wie im Baumarkt, wenn man einen Mitarbeiter sucht. Nur genau umgekehrt. Um 360 Grad gedreht, wie unsere Außenministerin formulieren würde. Anstatt durch die Regale zu diffundieren wie ein Obi-Mitarbeiter, der einem Kunden ausweicht, kümmert er sich.
Als nächstes werde ich durchleuchtet, sozusagen eine niedersächsische Gastroskopie. „Was machst Du denn so?“ , „woher kommst Du denn?“, „was hast Du hier vor?“, „Wir wissen einfach gern, wer hier ist, weißt Du?“ löchert er mich freundlich. Irgendwo her fingert er einen kleinen Anmeldebogen mit Preisen und ein kleines Merkblatt, die er mir in die Hand drückt. Besonders wichtig ist ihm zum Einen, dass ich keine Chemietoilette in seinen Ausguss kippe, weil das die Klärgrube des Hofes nicht schafft, wobei er, ohne es auszusprechen, klar macht, dass der letzte der das trotzdem getan hat, jetzt selbst drin liegt und seit Monaten vermisst wird. Und zum Zweiten, dass ich keine Elektrogeräte über 1000 Watt betreibe „…weil wir hier kein eigenes Kraftwerk haben“, wie das Merkblatt bekräftigt.
Wir lassen mein Gespann einfach stehen und er führt mich an diversen Postkartenidyllen mit uralten, gepflegten kleinen und großen Hofgebäuden, Federvieh und Schafgehegen vorbei, zu den Stellplätzen. Geschätzt etwa fünfzehn undefinierte, unparzellierte, Individualoptionen, alle unter großen, herrlichen Laubbäumen. Ich meine Eichen, Platanen und eine Kastanie zu erkennen und bin geflasht. Die Baumkronen rauschen weiterhin, Vögel zwitschern immer noch und wenn man ganz, ganz leise ist, hört man das Gras wachsen. Ganz bestimmt. Und irgendwo pupst leise ein Hängebauchschwein. „Such Dir einen Platz aus! Nur bitte keinen Vorzeltteppich, das schädigt den Rasen, ok?“ Klar geht das ok. Ich habe das wunderbar gepflegte Gras schon registriert, jedoch auch ein, zwei, große braune, kahle Flecken. Er sieht meine Blicke. „Da standen Zelte, so sieht das dann halt aus.“
Wir unterhalten uns. Wir schwätzen. Ich erzähle was. Er erzählt was. Er muss nicht weg, hat nichts vor. Ich denke an den Rasen, den er mähen muss. Er denkt nur daran, dass ich mich hier wohlfühle, denn ich bin jetzt sein Gast. Kein Smalltalk, sondern echte Neugier. Sensationell. Er fragt nicht, um sich eine Antwort zurecht zu legen, sondern, weil es ihn tatsächlich interessiert. Das hatte ich in meiner Wahlheimat die ganze Woche nicht. Wobei kein Rückzugsort für große Meeressäuger gemeint ist, sondern das Sauerland. Fühlt sich gut an. Als irgendwo oben ein Eichelhäher schreit, bin ich schon im ersten Ansatz zivilisationstherapiert und beginne meinen Adrenalinpegel schneller nach unten zu bekommen als Hans Gruber am Nakatomi Tower in „Die Hard“.
Eine Viertelstunde später steht der Touring an seinem Platz. Der Strom ist gute zehn Meter entfernt, kein Problem. Mein Auto stelle ich daneben, was 5 € extra kostet, weil die Betreiber hier die PKWs gern, aber nicht zwingend, VOR dem Stellplatzgelände stehen haben möchten. Wegen der Optik. Und der Atmosphäre . Da unser 530er aber kein „Achter“ ist und auch nicht sein soll, brauche ich den gewohnten zusätzlichen fluide nutzbaren Stauraum in Reichweite. Issnumaso. Die berühmte japanische Kleinstadt in enger Städtepartnerschaft mit dem peruanischenBergdorf Machsdunixa.
Ich kurbele die Stützen aus und der Touring beendet schlagartig das Touren. Die stählernen hinteren Extremitäten fährt er leicht quietschend touringtypisch natürlich seitlich aus. Maximale Breite und Stabilität. Den kriegste hier nicht mehr weg. Wie ein Seniorensportler beim Sportabzeichen der , ebenfalls nicht geräuschlos, ein letztes Mal seine Schuhe vor dem Sprint in den Startblöcken fixiert. Die vorderen Stützen aber, ja, die fahren nach vorne aus und präsentieren sich angewinkelt und bereit für den Sprung Richtung Beute. Pure Agilität und Dynamik, wie er sich ins Gras krallt. Ein Touring mit aufgestelltem Hubdach wirkt dabei immer ein bißchen wie ein geduckter Puma mit grünem Beret. Natürlich wird er, sollte es zu diesem unwahrscheinlichen Sprung jemals kommen, genauso zum Orthopäden müssen wie sein Herrchen, grüble ich. Unser 530er ist eine „60er Edition“, den hat Hymer nochmal richtig aufgehübscht und zur Feier des Tages lauter schone Gimmicks verbaut. Ich bin da nicht anders, denke ich. Anfang fünfzig mit dem Enthusiasmus eines 28-jährigen, gefangen im Körperzustand eines 60-jährigen. Aber mit vielen tollen verbauten Features. Ich hab mehr Gimmicks als ein Yps-Heft, stelle ich nicht ohne ein gesundes Maß an Selbstüberschätzung fest.
Wie bin ich denn jetzt darauf gekommen? Egal, „Computer : den letzten Abschnitt entfernen.“ Technik ist was tolles.
Ich erzähle meinem Gastgeber, dass ich ein Foto vom Ehrlingshof bei Facebook gepostet habe und sich darauf hin Giulia zu einem Kommentar und Grüßen hat hinreißen lassen. Giulia? Welche Giulia, fragst Du? Na DIE Giulia! Nicht die schicke Limousine von Alfa und auch nicht die besungene Tochter aus dem Song von Chris Rea. Die schreibt sich auch anders. Nein, DIE Giulia aus dem „Just Touring“ YouTube Channel von Giulia und Markus. Eribaner. Überzeugte Puck-Fahrer mit offenbar extremen Reduktions-Anspruch und Meister der persönlichen Entschleunigung. Bei denen geht scheinbar alles auch ohne Strom, ohne Toilette und ohne Zivilisation. Zeit messen sie nur anhand des Bartwuchses von Markus. Und Giulia lehrt uns Unwissende regelmäßig, die heimische Flora im Omnia kulinarisch zu verwursten, äh, zu verwelken. Das sie ihr I-Pad nur benutzen um drauf Gemüse zu schneiden ist dabei nur ein Gerücht.
Ich habe mir schon so manchen Kniff bei „Just Touring“ abgeschaut. Irgendwann werden sie vermutlich selbst noch die unnötigen Räder des Puck abmontieren um uns die ursprünglich-intensive, reinste Form des auf-Achse-seins zu demonstrieren. Ich freue mich auf Funken sprühende Aufnahmen.
Wie ich erfahre, sind wohl ein paar der ersten Folgen hier auf dem Hof entstanden. Die Welt ist ein Dorf. Wir nehmen eine kurze Grußbotschaft für die zwei auf und ich bin zum ersten Mal hier allein.
Ich habe nun Gelegenheit mich am Platz einrichten und sehe mir auch die Sanitäranlagen an. Ein außen liegendes, aber überdachtes Doppelwaschbecken lädt zum gemeinsamen Spülen ein, eine „lichtdurchflutete Waschoase“ würde wohl der durchschnittliche Urlaubsprospekt postulieren. Daneben zwei Türen, eine mit „H“, eine mit „D“, so einfach. (Den Spruch mit „Links für Holländer und rechts für Deutsche“ verkneife ich mir hier, der ist uralt und nicht von mir.)
Auf der Herrenseite warten zwei Waschbecken mit Spiegel sowie ein Fön (selbst darf ich ja keinen an meinem Anschluss benutzen, wegen der Wattzahl). Zwei ordentliche Toiletten und ein Pissoir runden das „Wohlfühlambiente“ in der Keramikabteilung ab. So oder so ähnlich der imaginäre Prospekt.
Und die Dusche? Tja. Die Dusche. Die stammt aus einem anderen Prospekt. Wie der heißt, weiß ich nicht, aber vermutlich hat sie Uri Geller entworfen, denn sie ist so klein, dass man sich schon wie ein Löffel verbiegen muss, wenn man sich darin aus- und anziehen will. Zumindest stützen einem die gefühlt immer näher rückenden Wände supportend den Rücken. Vorausschauend wurde jede Sitzmöglichkeit gleich gar nicht erst installiert. Würde ja nur Platz wegnehmen.
Vielleicht wurde die Dusche aber auch in Kooperation mit Bear Grylls designt, denke ich am nächsten Morgen, als ich motiviert eintrete und mich meiner Garderobe entledige um sie am dafür vorgesehenen Kleiderbügel mit Bergsteigerseil an den Duschenhimmel zu ziehen. Nass wird die Kleidung so jedenfalls nicht, das stimmt. Und meine Tasche mit den Waschutensilien musste sowieso auf dem Gang bleiben, weil sie nicht ausJaques Cousteaus „Calypso-SP350-Edition“ ist. Sie wäre kläglich abgesoffen.
Aber wißt ihr was? Es war völlig egal. Denn alles war super sauber und ordentlich. Mit viel Geschmack und Herzblut vor nicht allzu langer Zeit auf Vordermann gebracht, ziemlich sicher in Eigenleistung.
Im Eriba zurück wickele ich mich bis zum Hals in Hygge ein, etwas, das wir aus einem verregneten Wintercamping von der Küste mitgebracht haben und was kein Schönwettercamper je verstehen wird, der eine weiße Polypropylenbox voller POCO-Möbel hinter seinem Octavia hängen hat und sich bei jedem Anzeichen von Regen ins heimische Reihenhäuschen zurück flüchtet.
Ich sitze in der Dinette und genieße einen ersten Kaffee bei geöffnetem Frontfenster. Die Bose-Box spielt dazu Julis „der Sommer ist vorbei.“ Ich genieße. Ab und an scheinen Eichhörnchen ein paar für den Winter unbenötigte Eicheln auf mein GFK Dach zu schmettern, als wollten sie mich zurück ins Sauerland mobben. Es knallt ein paarmal bedenklich. Es müssen mehrere Tiere sein, überlege ich, vielleicht hunderte.Vor meinem inneren Auge baut sich ein „Resident Evil“ Szenario auf. Irgendwann ziehen Sie sich zurück.
Eine Stunde später. Ein undefinierbares Monsterinsekt versucht, durch das Fliegenschutzgitter oberhalb der Küchenzeile zu kommen. Das Vieh ist größer als der Schlitten des Reißverschlusses und passt sicher nicht durch die Maschen. Allerdings macht es Geräusche, die ich schonmal in einem der „Jurassic Park“ Teile gehört habe und ich frage mich, ob diese Kreatur der Nacht womöglich geschärfte Mantibeln verbaut hat. Ich würde gerne Entspannung antäuschen, ruckartig das Hubdach schließen und dem Killerkäfer mit den metallenen Scherengittern ruckartig den häßlichen Kopf vom zuckenden Chitinleib trennen bis stinkender gelber Schleim austritt und es besiegt ist. Über diesem Standbild aus „Starship Troopers“schlafe ich schliesslich ein und ratze wie ein Baby. Diese Umgebung ist so herrlich friedlich…
Am nächsten Morgen weckt mich zunächst der unvermeidbare Hahn des Hofes mit einem eher bemitleidenswerten, unaufgeregten, weil vermutlich konkurrenzlos intonierten Gekrächz. Ich döse in Fötusstellung weiter, amüsiert ob der unerwartet dezenten Geräuschkulisse.
Dann aber mischt sich, etwas später, ein zweiter Ton hinzu. Wie beschreibe ich den? Wie zeichne ich den Unterschied so, dass mich jeder versteht? Sagen wir, der junge Heintje, weit vor dem Stimmbruch, intoniert „Ave Naria“. Sanft, romantisch, harmonisch wie Smoothjazz. Das ist der ambitionslos krähende erwähnte Hahn. Und jetzt meldet sich die aktuelle, erwachsene Version von Heintje, nach einer durchzechten Nacht auf der Reeperbahn, mit einem Kater im Kopf und einer Mieze im Arm, einer Cohiba im Mund, laut und tief grölend, während er mit der freien Hand nach seinem Gemächt suchend, an eine Laterne urinieren will. „MÄÄÄÄÄÄÄÄÄH!“ alter Verwalter. Fast schon röchelnd, aber aggressiv und bestimmt. „MÄÄÄÄÄÄÄÄH!“ . Ein Riesenvieh von Schafbock muss das sein, vermutlich dreihundert Kilo schwer und zweifuffzich Schultermaß, mutmaße ich, zieht vermutlich seine Hoden wie einen schmiedeeisernen niedersächsischen Pflug hinter sich her, wie beim Männerabend in der Seniorenheim-Sauna. Gesehen habe ich ihn noch nicht, aber es muss eine Hulk Version eines Schafes sein. Klar ist : wenn DER auf Brunft ist, werden die Lämmer sich lange benutzt und wund fühlen. Sie werden lange schweigen und Therapie brauchen. Dr.Lecter….Dann stehe ich mal besser auf, denke ich.
Nachdem ich mich, wie oben beschrieben, frisch geduscht und happy in den Tag begeben habe, mache ich mich, gut gelaunt, deodoriert und mit ebenfalls grundgereinigtem Pflug auf zum Haupthaus. Das Monsterschaf begegnet mir allerdings nicht. Dort finde ich an der Rezeption eine Tüte mit den von mir bestellten Brötchen. „Axel“ steht da handschriftlich und gut lesbar drauf. Ich hole sie ab und fühle mich abgeholt. Der Touring-Kühlschrank liefert alles weitere. Ich habe, neben den üblichen Belägen, natürlich auch, wie immer, Honig aus der bereisten Region erworben, der Eierkocher ist ebenfalls schon fertig und während der Kaffeevollautomat (keine Sorge:800 Watt) mir die Spezialröstung vom letzten Nordseetrip durchgurgelt, presse ich mir mit 80 Watt zwei Orangen aus. Getrunken und gegessen wird natürlich stilecht von Glas und Porzellan. Wir sind hier ja bei Eriba Touring und nicht bei Concorde. Du kannst nicht tausende von Euro für Glattbech und Zweifarblackierung ausgeben und dann von Koziol essen. Gib Dir halt Mühe bei der Transportsicherung. Lass Dir was einfallen!
Anschließend ziehe ich mir einen der zwei 79 Zentimeter breiten, französischen, Luxus-Liegstühle aus der 80 Zentimeter breiten Klappe, ein Vorgang bei dem ein Master in Origami sowie ein Bachelor in Tetris sicher hilfreich sein können, und suche mir eine Ecke mit Sonnenschein. Die hohen Bäume geben mir dabei vor, wo ich hin muss und ich muss auch ein paarmal nachrücken. Aber es geht auf den Herbst zu und für etwas Sonnenschein bin auch ich bereit, die Agilitätskurve einer bodenwühligen Seegurke oder Wanderdüne vorübergehend auf meinen geschundenen Astralleib zu übertragen. Ich bin hetero. Mir wurde beigebracht, mich anzupassen. Nur ein Scherz. Bei Kritik und Anregungen wählen Sie bitte 0800-KISS-MY-ASS. Ihre Meinung ist uns wichtig, vielen Dank.
Wie ich da so entspannt in der eigenen niedersächsischen Vorröstung liege und im Uhrzeigersinn über die Grasfläche mäandere, radelt mein herzlicher Gastgeber vorbei. „Hey, Axel! Schau, schau, der Axel liegt in der Sonne! Gut gemacht!“. Gestern war er noch besorgt, weil ich direkt vor dem Wohnwagen im Schatten gesessen hatte und die Sonne ganz wo anders war. Vielleicht adoptiert er mich ja doch noch.
Auf dem Gelände des Ehrlingshof kann man wunderbar entspannen. Ich habe mir ein Tischen aufgestellt und schreibe sogar wieder, es ist so herrlich ruhig hier…Nichts kann das stören, denke ich. Bis wenig später die Maschinen die Macht übernehmen.
Es ist schon Nachmittag, als sich die Sonne verdunkelt wie in der Eröffnungssequenz von Emmerichs „Independence Day“. Mit tiefen dumpfen, stampfenden Tönen zieht plötzlich in Zeitlupe ein stählernes Monster dicht an mir vorbei. So dicht, das ich es nicht gleich erkennen kann und einen Schritt zurück weiche. Dann lese ich HANOMAG in gewaltigen weißen Buchstaben, die aus derselben Manufaktur kommen müssen wie der HOLLYWOOD Schriftzug. Hinten dran hängt ein farblich passender, perfekt aufgebauter alter Bauwagen mit einem motiviert wippenden Fahrradträger als krönenden Abschluss.
An Schreiben ist nicht mehr zu denken. Der stampfende Diesel dröhnt bis in die Magengrube, klopft die Nebenhöhlen frei und schüttelt das Hirn durch. Ich klappe das IPad zu und sehe auf. Da steht bereits ein zweiter Traktor , ein alter Deutz in weiß, mit strahlend restauriertem Bauwagen hinten dran, den habe ich gar nicht mitgekriegt, so gechillt war ich. Doch jetzt ist es laut. Die beiden Diesel erschüttern derart intensiv die nähere Umgebung, das kein Klimakleber jemals die zitternden Wohlstandsfingerchen irgendwo festkleben könnte. Es riecht nach Diesel und Ruß. Karl der Käfer wurde nicht gefragt. Heute ist Horst Lichter Tag im Meilenwerk neben der Traktorenfabrik. Heute fährt Jay Leno endlich „Brutus“, das Auto mit dem Flugzeugmotor. Wenn ich auch Nanni und Hanni nicht mag. Hano mag ich.
Mein Touring steht irgendwo dahinter und wirkt plötzlich unerwartet modern, ein richtiges „Outfit-Of-Place-Artefakt“.
Dann schweigen die Diesel. Die Eichhörnchen ziehen sich die Stöpsel aus den Ohren. Zugvögel brechen den überstürzten Abflug wieder ab. Alles entspannt sich wieder. Nur einige Bäume scheinen ein paar Blätter durch die Vibrationen verloren zu haben. Offenbar drehen sie hier : „Transformers-wie alles begann“ , denn nach und nach wandeln die beiden entstiegenen rustikalen Herren ihre Gefährte in waschechte Camper um : sie koppeln ab, sie bespannen eine Terrasse (!) mit farblich abgestimmtem PVC und stellen einen, ebenfalls farbgleichen, Sonnenschirm auf. Ich ahne schon längst, dass die Frauen der beiden mit Sicherheit nachkommen. Die Zeichen sind allgegenwärtig und offensichtlich. Keine Frau zockelt gern, quer zur Fahrtrichtung sitzend, mit VMax 25 über die Landstraße, weil man dabei nicht gut aussieht, es unbequem und laut ist. Während der Mann die Qualitätszeit mit seiner Maschine (gemeint ist hier das Fahrzeuggespann, nicht die Gattin) gegen nichts eintauschen möchte. Und die farbliche Ton-in-Ton-Gestaltung des Trecker-Gespanns? Kein Mann achtet derart auf die Umsetzung einheitlicher Farbkonzepte nach Feng Shui und Pantone-Leitlinien, wenn er einen Klassiker restauriert. Sicher trudeln bald zwei Ladies in die frisch gepolsterten Nester. Nur meine persönliche Meinung, natürlich. Bei Kritik und Anregungen wählen Sie bitte 0800-KISS-MY-ASS. Ihre Meinung ist uns wichtig, vielen Dank.
Eine Stunde später sind die Pärchen dann tatsächlich komplett. Nette Leute, alle vier. Wirklich urig der Flintstones-Auftritt und genau die Sorte Nachbarn, die ich mag. Sie bieten mir handgebrühten Kaffee an, den ich dankend ablehne, da es nach sechzehn Uhr ist und ich schon alt bin. Verdammt, denke ich. Die waren sicher in der gleichen GrundschuIklasse wie Keith Richards und DIE trinken jetzt Kaffe. Was soll’s. Ich schwätze mit allen ein bisschen und dann lasse ich sie in Frieden. Ich habe meinen Frieden ja schon gekriegt und werde noch einen weiteren Tag entspannen, bevor es zurück geht. Vorausgesetzt, der Eriba kriegt seine Krallen wieder eingefahren und den Hintern genauso oder sogar weniger knirschend wieder in die Höhe. Der Ehrlingshof ist jedenfalls eine Reise wert. Für alle Individualisten, seien sie kommunikativ oder Ruhe suchend, findet sich hier sicher ein Eckchen zwischen „Zwergenwald“ und Voliere. Ich jedenfalls bin entspannt wie lange nicht. Vielen Dank. Auch, weil es ein Zwergenwald und kein „Kleinwüchsigenforst“ ist.
Danke.