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Die Mauer hat Hasenohren

Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement.. Es begibt sich aber zu der Zeit, genau einmal im Jahr, dass da wird die eine Hälfte des christlich geprägten Weltkugelanteils, eben jener Teil, dem Vorsehung, Gott, Gene oder schlicht angewandte darwinistische Lehre, äußere Formen und inneren Deibel mitgegeben haben, die prädestiniert sind, die wesentlich simpler gestrickte andere Hälfte vor sich her zu scheuchen, zum exemplarisch fanatischen Verfechter teilweise bis zur Unkenntlichkeit colorierter Kleinnager.

Insbesondere meine Kinder, mittlerweile bestens integrierte Bestandteile eines Ost-West Patchworks und bislang ohne nennenswerte persönliche Schäden, also nichts, das nicht durch zwei Stunden Fortnite und zwei Tüten skittles zu heilen wäre, sehen sich regelmäßig um diese Jahreszeit herum einem kräftigen Mentalspagat gegenüber. Da ist zum einen die zufälligerweise (?) westdeutsche Oma väterlicherseits, deren Osterambitionen auch mit einem IGLO Schlemmerfilet an Karfreitag befriedigt werden können. Auf der anderen Seite die ostdeutsche Oma mütterlicherseits, die regelmäßig bereits unmittelbar nach Heiligabend einen quasi paramilitärischen österlichen Einsatzplan schmiedet und die im Vorjahr sorgsam verstaute Osterdeko geschickt vor Großvaters Augen versteckt, um mit den Worten 'wir ham gar nix mehr', die je nach benötigter Überzeugungskraft bis zum nostalgisch-regionalen wir-Gefühl eines durchaus sympathischen 'mir homm gohr nüscht mehr' gestreckt werden kann, aufzubrechen, um die neuesten Dekoartikel abzugreifen, die der Heine Katalog und Depot nicht schon im Rahmen des vermuteten Abonnements geliefert haben.

Die eigentlich menschlichen Bewohnern zugedachte Wohnraumfläche, traditionell im Osten 'Räume mit Auslegware', während es sich im Westen um 'Zimmer mit Teppichboden' handelt, dokumentieren einen Zustand gleich einem besetzten Forst, nur ohne ökologisch ökonomisch treibende Grundgedanken. Überall werden Hasen, Hühner, Küken, dazu Gräser, Moose und Äste, vorzugsweise natürlichen Ursprungs, aber zur Not auch aus aufwendig beflocktem Kunststoff, die Räumlichkeiten dominieren. Die Menschen werden derweil durch geschickt platzierte Süßigkeitendepots und Fernsehkorridore in vorher festgelegten Bereichen gehalten. Dies geschieht unterschwellig und so geschickt, dass es oft als positiv empfunden wird.

Bevor dann die eben noch als niedlich empfundenen und gefühlt so süßen österlichen Jungnutztiere, vorzugsweise niedliche Lämmer, mehr oder weniger kopflos der traditionellen Bratenform entnommen werden, da man den Blickkontakt mit eben abgestillten und quasi von der Zitze gedeimelten Lämmchen gerade an Ostern dann doch nicht haben möchte, geschieht noch ein weiteres Ritual. Es werden, wie jedes Jahr, vollkommen ignorierend, dass die Kinder in Kürze bereits Wahlrecht und Fortpflanzungsfähigkeit erreichen werden, die hingebungsvoll vom sich in sein Schicksal ergebenen Opa des nächtens versteckten Eier gesucht und in der Regel zu neunzig Prozent auch wieder in ihre Kunstgrasnester zurückgeführt.

Dieses Szenario verleitete mich früher, also deutlich nach der politischen und trotzdem vor der später folgenden persönlichen Wende, zu dem Ausspruch 'Es wird ja wohl kein Hase kommen, um zu kontrollieren!', was regelmäßig zu Naserümpfen und angestrengt praktizierter Westlertolerierung führte. Nun, da wir alle gesettled und die Kinder in einem Meer aus Toleranz und Neugier das Segeln auf dem Schiff der Traditionsakzeptanz erlernt haben, werden sie doch hoffentlich nicht ausgerechnet an den Osterinseln zerschellen, hoffe ich. Ich glaube, nächstes Jahr kaufe ich mir einen pinkfarbenen Plüschhasenanzug, einen Sack Karotten und fahr mal zur Kontrolle an Ostern vorbei. Es war lange genug ruhig dort. Schöne Feiertage!