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Musik von den Kapverdischen Inseln

Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Es war eine schwierige Woche.

Wieder mal wurde etwas in mich interpretiert, das nicht da ist, etwas gemeint zu sehen, was nicht zu finden ist, etwas gehofft zu besitzen, was gar nicht zur Disposition stand. So wurde ich mal wieder zum 'Irrtum', und es gibt sicher schönere Komplimente auf Picknickdecken.

Jedoch war die Woche auch voll mit viel willkommener Ablenkung durch körperlich und mental fordernde Tätigkeit, es gab umstürzende Mauern, Räume voller Rollstuhlfahrer, nicht mehr lieferbare Cabrios mit überraschenden Wahlmöglichkeiten, eimerweise Knochen, eine alte Freundin, die sich als hervorragender Seelenpümpel entpuppte und eine weitere alte Freundin die als ewig rebellischer Wildfang trotzdem kurz innehielt und mir ihre Aufmerksamkeit schenkte, bevor sie vermutlich wieder in den intellektuellen Kampf für ihr Heimatland zieht. Außerdem ein 50.000 €-Mietauto, das mir jeden Morgen die schlecht eingepassten oberen Chromleisten ähnlich dem Wacken-Gruß wie zum Trotz beidseitig abstehend entgegen reckt, bis ich sie schließlich kapitulierend mit leuchtend rotem Packband fixiere.

Und dann war da noch, allgegenwärtig und glücklicherweise, eine weitere riesige leuchtende Möhre für mich alten angegrauten Ackergaul, ein strahlendes Licht am Ende des doch nicht kreisförmigen Tunnels, das, meiner bisherigen Erfahrung zuwider laufend, mal kein entgegen kommender Zug war, sondern ein bedeutend hellerer Nordstern, der mich durch diese bemerkenswerte Woche sog wie das jüngst erstmalig fotografierte schwarze Loch oder, vielleicht anschaulicher, wie ein hungriger Riesenkalmar ein Stück lecker-blutiger Pottwalflosse in einem Atlantikstrudel aus verklappten Biogemüseverpackungen.

Ein besonderes Event stand an. Limited Edition. Eine vierköpfige Combo von den Kapverdischen Inseln entschied sich zu einer grandiosen Generalprobe ihrer anstehenden Europatournee vor ausgewählten Freunden, die ich bis dahin alle noch nicht kannte. Aber der Gastgeber, herzlich, direkt, individuell und emotional, hatte mich persönlich eingeladen, es sprach also nichts gegen ein herzlich-direkt-individuell-emotionales Publikum und ICH durfte kommen! So fühlt sich 'geehrt' an, und der Boden hätte für diese Art aufstrebender ungiftiger Bodendecker angesichts des just erlittenen Picknickdeckendesasters nicht besser bereitet sein können. Den phänomenalen Rahmen bot ein mit unendlicher Auswahl an Stehrümmchen bestückter Ausstellungsraum eines als 'Antik Handel' bezeichneten liebevoll gehegten Panoptikums des Gastgebers, eine Sammlung von vor der Müllpresse geretteten farbigen Glaspokalen, verschieden großen Gemälden und Drucken jeglicher Epochen und Qualitäten, mehr oder weniger thematisch gebündelten Gehstockarrangements, Porzellanpräsentationen und einer krönenden Armee aus original ZDF Mainzelmännchen, jedes vielleicht nicht ganz zehn Zentimeter hoch, aus undefinierbarem, sicher schwermetallbelastetem, Kunststoff, auf einem Balken thronend aufgereiht und offenbar aufgeweckt lauschend. Die original chinesische Terrakottaarmee hätte nicht beeindruckender sein können. Alles Schätze des modernen Aladin, die es wie zufällig noch nicht auf seine Shop-Page geschafft haben. Ein sorgsam gehütetes, respektables Refugium aus Raritäten, nicht mit Barem aufzuwiegen, Horst-Lichter-frei und ohne Coppenrath und Wiese Sponsoring. Und mittendrin wir, sein ausgesuchtes Publikum. Angefüttert mit persönlich kümmernd gereichten Früchten, aufgelockert vom persönlich ausgewähltem guten Rotwein und dazu verdammt, die vermaledeite Deutschness abzulegen, die bodies zu shaken, sich dem kapverdischen Flow und Rhythmus hinzugeben und es 'einfach laufen zu lassen', was angesichts der ausgelegten Perserteppiche der Kategorie 'eine Million Knoten Plus' hoffentlich niemand wörtlich nahm.

Wir haben alle alles gegeben! Unsere Stöcke mehr oder weniger zügig, mehr oder weniger erfolgreich und mehr oder weniger weithin sichtbar aus unseren mehr oder weniger dominanten Ärschen gezogen. (Sorry for that.) Die Musik war betörend, bezaubernd und besonders. Irgendwie das letzte, das man in der kleinen ländlichen Siedlung unterhalb der A45 erwartet. Ein Refugium der Echtheit, Klarheit, Herzlichkeit und Lebensfreude. Am Ende schieben wir die alten Möbelschätze zusammen und sitzen noch lange palavernd im improvisierten Rund, entspannt und begierig zu erfahren, wer das Gegenüber ist. Großartig.

Was eigentlich diesmal mein Statement ist? Vielen Dank für diesen Abend! ..aber eine Kleinigkeit noch : für einen Mojito hätte ich töten können.... Vielleicht wars besser so.