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SSC : Das PROST-System

An Tagen wie diesen ist es wieder Zeit für das Sourcountry Survival Chapter (SSC). Ich bin nicht die weibliche Stimme in Deinem Navi, aber ich kann bei der Orientierung helfen. Sei gegrüßt, Zugereister! Es ist wundervoll hier und es gibt viel zu sehen.

Die Welt spricht über das Klima und den Umweltschutz. Greta Thunberg und ihr Engagement als Schülerin sind in aller Munde, und wie alles, was in aller Munde ist, führt es in der Folge in der Regel zu jemandes Bauchschmerzen und ggf. auch Ausscheidungen. In dieser speziellen Folge sind auch deutschlandweit Menschen aller Altersklassen im Rahmen der „Friday For Future“-Initiative in Bewegung geraten und bewegen seitdem die Gemüter der Nation.

Wie so oft allerdings, ist das Sauerland auch bei diesem Thema bereits einen Schritt weiter. Der Sauerländer und seine hoch geschätzte Sauerländerin haben sich, wie so oft, still, heimlich und leise einer revolutionären Umweltschutzprotestweise verschrieben und diese mittels eines clever eingerichteten semi-offiziellen Deckmantels der „Pflege des Brauchtums“ sogar geschickt aus Landes- und Bundesmitteln quersubventioniert. Es handelt sich um ein revolutionäres dreistufiges „Public Recycling Ordinary Subelements Transfer“ (P.R.O.S.T.) – System, welches seit Jahren schon dem im übrigen Bundesgebiet mühsam eingeführten Grünen Punkt in Sachen Öffentlichkeitseffektivität den Rang abläuft und regelmäßig einmal im Jahr seinen medialen Höhepunkt erreicht. Dabei greifen dann im wesentlichen drei längst historisch tradierte Einzelelemente scheinbar mühelos ineinander und erzeugen für den nichteingeweihten Zugereisten einen möglicherweise nicht ganz unbeabsichtigten Fehleindruck, einer lediglich feiernden Menschentraube, denn der Sauerländer gibt seine Errungenschaften nur selten einfach so preis.

Das erste ,und zugleich zentrales Schlüsselelement des Systems, ist ein, mühsam von, in der Regel ornithologisch motivierten aber im übrigen handwerklich orientierten, Berufsrentnern in ihrer Freizeit erstelltes radikal antirealistisch reduziertes Modell einer Raubvogelchimäre, eines regelmäßig schwer zu definierenden Hybriden unterschiedlichster, oft vom Aussterben bedrohter Vogelarten Mitteldeutschlands. Diese kunstvoll bis zur Unkenntlichkeit entfremdete Darstellung eines Archäopterixnachfolgers, hergestellt aus den ewig haltbaren Drahtinnenkonstruktionen des Vorjahres, deren ursprünglicher Verwendungszweck ein dann doch nicht genutztes Bordgeschütz des Panzerkreuzers „Bismark“ gewesen sein mochte, sowie von der ortsältesten Oma handgedrehtem und speichelverklebtem Pappmaché aus wiederverwendeten Resten des gestrigen Sauerlandkuriers, eröffnet, berechtigt und schließt Zeitfenster und Lokalitäten innerhalb des Zeitablaufs des Systems. Außerdem regelt sein gesellschaftliches Auf- und Abtauchen Grußformen, Huldigungen und Getränkeaufnahmen. Dazu wird diese Vogelattrappe, die nicht selten durchaus beachtliche Ausmaße und Gewichte annehmen kann, unter reger Anteilnahme sämtlicher Bevölkerungsschichten und -gruppen, an zentraler, prominenter Stelle nahe des jeweiligen Ortskerns an einer eigens dafür errichteten professionellen Masten- oder Stangenkonstruktion aufgehängt und, je nach Entwicklungsstand und finanzieller Ausrüstung der Gemeinde, mechanisch-manuell, Ökostrom-elektrisch oder mittels rückstandsfrei verbrennender Treibsätze an deren Spitze gezogen. Der zukunftssichernde ökologische Ansatz blitzt bereits bis hierher aus diversen Einzeldetails des Ablaufs, geht jedoch noch tiefer. Der nichteingeweihte Zugereiste meint möglicherweise lediglich ein ländlich geprägtes Fest mit überwiegend meist alkoholisierten Teilnehmern zu identifizieren und verkennt dabei vollkommen die enorme gesellschaftspolitisch umwälzende ökologische Tragweite.

Als zweites, gut sichtbares Element, dient die außergewöhnliche, situationsangepasste Bekleidung der Teilnehmer. Die weiblichen Partizipantinnen setzen in der Regel auf angewandtes Textilrecycling und tragen überwiegend knöchellange bodendeckerpflanzenschonende Stoffschläuche der Vorjahre auf, vor Urzeiten aus vorausschauend biologisch erzeugten Seidenspinnerraupenausscheidugen gefertigt. Einzige geduldete Ausnahme bilden hier nur die noch überfällig unverkuppelten oder konfessionswidrig frisch getrennten geschlechtsreifen Frauen, denen man traditionell zugesteht, diesen jährlichen wichtigen Zugang zum regionalen, und damit auch in Punkto Transportkosten mit hervorragend ausgestatteter Ökobilanz versehenen Heiratsmarkt mit vorbildlicher Effizienz nutzen zu wollen. Zu diesem Zweck trennt sich die eben definierte zweite weibliche Gruppe vom Gedanken unnötiger Verpackung und bedeckt die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, je nach unterjährig mehr oder weniger ungebremsten Ernährungsgewohnheiten entsprechend erfolgreich, mit ökologisch konsequent besonders minimalistisch dimensionierten Stoffresten. Die Männer hingegen tragen dem klassischen Karoprinzip Rechnung. Bei Landwirten steht ja die Anzahl der rot-weißen Karos bekannterweise für die Anzahl der eigenen Hektar Land. Hier jedoch trägt der involvierte männliche Sauerländer üblicherweise ausschließlich grün-weiß karierte Hemden, passt sich damit perfekt den im Veranstaltungsvorfeld systembedingt beim sog. BIO-Fahnen-Hissen implementierten grün-weißen Straßenquerungswimpeln und Wegesrandfahnen an, reduziert die luxgemessene optische Umweltverschmutzung auf ein Minimum und verschmilzt nahezu ansatzlos vorbildlich mit der ihn umgebenden naturgrünen Kulisse. Welche Bedeutung hier hinter den Karos steckt, konnte ich bislang trotz intensiver Bemühungen nicht herausfinden. Mir wurde jedoch von Teilen der oben beschriebenen intensiv ansitzenden Singlefrauen zugetragen, wenigstens die Größe der Karos sei, ähnlich der evolutionären Mythen zu Länge und Dicke der männlichen Nase, hinreichendes Indiz gürtellinienunterschreitender Körpermerkmale der sie tragenden anvisierten Männer. Dass die typische, vor allem an Bierausschankstationen beobachtbare, Körperhaltung mit einer Hand im Hosenbund ein Indiz dafür sei, dass der sich fälschlicherweise unbeobachtet glaubende Mann hier versucht, seinerseits durch rhythmisches Ziehen und Strecken langfristig größere Karos zu erarbeiten, ist dagegen eine rein urbane Legende und kann verworfen werden.

Das dritte Element schließlich führt das PROST-System zum traditionellen Höhepunkt. Regelmäßig ökologisch vorbildlich versammeln sich die Beteiligten ohne Nutzung eigener PKWs um das unter (1) beschriebene kerosinlos flugunfähige und meist federlose Kultobjekt wieder auf den naturbelassenen Boden zu holen. Dazu feuern besonders ausgewählte oder je nach Ortschaft auch besonders unvorsichtige Protagonisten nacheinander einzelne recycelte Kleinstmengen an im Laufe des Jahres gesammeltem Altblei auf das obere Ende der Stange und befüllen so sukzessive den ornithologischen Attrappenhohlkörper, bis dieser schließlich unter dem anwachsenden Gewicht seiner Aufhängung ein Signal zur Ablösung gibt und selbständig die newtonschen Gravitationssätze demonstriert. Während der enormen Dauer des Beschussszenarios wird der jeweils gerade aktive Schütze regelmäßig mehrfach bis zu zehn Meter in einer Richtung zurück legen, bevor er den Gefahrenbereich erfolgreich verlassen hat und ein anderer Kandidat seinen Versuch wagt. In der Folge müssen die engagierten Schützen bereits nach wenigen Versuchen von besorgten Kameraden auf diesem Weg gestützt werden und könnten bald schon ohne Hinzuziehen der bereitgestellten Auflegevorrichtung schwächebedingt nicht mehr ökologisch-effektive Schüsse abgeben. Es wurden schon Attrappenanvisierer beobachtet, die sich auf dem Weg zur Abschussstelle, wahrscheinlich vor Erschöpfung oder um sich auf dem Weg von unnötigem Ballast zu trennen, ihres Mageninhaltes entledigt haben, aber das sind zum Glück lediglich unbestätigte Einzelfälle, die keine generell ableitbare Problemindikation nahelegen.

Wer den Vogel schließlich zu Boden holt, wird sinnbildlich zum König gekrönt, trägt zukünftig eine wiederverwendete Altmetallbeschwerungsschlinge um den aufrechten Hals und marschiert mit den übrigen, ihrerseits mit ökologisch-pazifistisch korrekten Waffenderivaten ausgerüsteten, Systemnutzern durch die angeschlossene Ortschaft um das angesammelte Altblei demonstrativ zum Recyyclinghof zu begleiten. Das PROST-System wird schließlich, unter reger Teilnahme aller Beteiligten, in einem eigens dafür errichteten Hallengebäude bis in die frühen Morgenstunden erörtert, diskutiert und auf seine umgesetzten Umweltaspekte hin fachlich überprüft. Dabei kommen übrigens als willkommener Nebeneffekt auch die Rechte der Frauen nicht zu kurz, da viele von Ihnen nicht nur Ihre stattlichen Begleiter bewundern und mitmarschieren, sondern obendrein auch noch den späteren Heimtransport der, durch Ihr exzessives Umweltengagement bis zum Umfallen geschwächten männlichen Begleiter gewährleisten dürfen. 

Der Zugereiste hält zwangsläufig überrascht inne, betrachtet den zurück gelegten Weg und muss feststellen :

ne, watt schön hier!