
Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Heute bin ich mal schwer negativ aufgeladen nostalgisch. Wieder ein Lehrgang. Wieder ein vier
Sterne Hotel mit dem immer gleichen Zuschnitt, dem immer gleichen Doppelzimmer, den immer gleichen Fragen beim Einchecken (niemand hat das je besser auf den Punkt gebracht als Thorsten Sträter,
und wer das in Frage stellt, dem entgegne ich nur ein bestimmtes 'Müsste aber!') und sicher dem ewig gleichen
Frühstücksbuffet, bei welchem Greta Thunbergs gewissensmodifizierender ökologisch korrekter Einfluss sogar offenbar schon vor ihrer Geburt dafür sorgte, dass die netten, hygienischen,
mini-Marmelädchen in Einwegtigeln aus PE mit Aluminiumdeckel nun endgültig den ökologisch unbedenklichen, in schicke Gläser umgefüllten Kunststoffeimer-Konfitüren gewichen sind, ewig gleich
wiederverwendbar belöffelt und es unmöglich machend, Hersteller und Geschmacksrichtungen auch nur zu erahnen, während die Ermittlung eines MHD oder einer Allergen- oder Regionalitätsspezifikation
ohnehin dem romantischen Nebel ökologischer Ideale, dem legitimen idealistischen Kommunismusnachfolger der jungen Generation, zum Opfer gefallen sind.
Ich ziehe mich weiter lustlos und unmotiviert an und suhle mich in meiner Hasskappe. Ich sehe vor meinem verquollenen geistigen Auge
kleine handgeschnittene Butterstücke in, bestenfalls gut gekühltem, Leitungswasser schwimmen wie miniaturisierte Milchviehleichen in einem Stausee.
Ich beginne, mich leidenschaftlich in das Thema zu verbeissen wie in einen fettig heißen Zinger Burger ohne Cole slaw. Die Nacht war
wieder ein hin- und hergewälztes Konglomerat aus Zeitverschwendungen und Gedankenverwindungen, die übliche Aufarbeitung zu rasch verschlossener Emotionsdeckel vermutlich, keine Ahnung, ich war
nicht dabei. Ich bin übermüdet, fühle mich elend, ein gutes Frühstück würde vielleicht helfen. Da werde ich emotional. Gelebte Nostalgie, nur nicht die der romantischen Art. Alles ist, wie es
immer war. Ich hasse Hotels und offene Marmeladenbuffets, no matter how many stars. Meine persönlichen Stuttgarter Spätfolgen, Gruß auch an die Reinsburgstrasse, 'Keine Hände, keine Kekse' wirkt
immer noch nach.
Eines immerhin wird aber sicher erreicht, denke ich: die nächste grippale Infektion darf sich dann ungeschönt den vier Sterne Habitus
anheften, den Silver Star der Pandemiekeimzelllen, denn nie konnte ein frisch eingeflogener globaler Hühnergrippevirus leichter unters unbedachte Volk gebracht werden als heutzutage beim
gepflegten Nieser übers morgendliche inclusive-Buffet.
Für mich scheidet Marmelade heute also aus. Die Wurst und der Scheibenkäse sehen dagegen vermutlich total frisch aus, denke ich, man kann sicher noch den Fingerabdruck der umgeschulten Aushilfs-Büffetlegerin erkennen, die ihren Job bestimmt besonders entspannt und konzentriert machen will und deshalb immer vor dem zelebrierten edelstahlbelegenden Auffächern fetthaltigen Schnittguts nochmal aufs Klo geht, vorbildlich und kundenorientiert!
Ich hab schon wieder so einen Hals, dass ich überlege, Operation Breakfast abzubrechen, bevor es überhaupt los geht, nicht dass mein Start in den Tag zur persönlichen Schweinebucht wird. Ich überreagiere. Also los.
Ich verlasse die zu trockene Zwangsnachtbehausung und die rauschenden Nasszellenschlechtluftentsorgungsgebläse, als ich die
Kunstholzfurniertür zuziehe und mache mich auf die Verfolgung des Kaffeeduftepizentrums. Als ich den Frühstücksraum betrete, scheinen alle Augen auf mich zu drehen, ich schätze ich sehe so
scheiße aus, wie ich mich fühle und starte eine meiner Kernkompetenzen, das Ignorieren unspannender Drittstörer. Als ich mit meinem Grossserienporzellanteller vor der gut sortierten Auslage
stehe, glaube ich kurz zu halluzinieren, denn es sieht alles gut aus und vor allem herrlich hygienisch verpackt. Sogar die Butter, ja es ist GUTE Butter im Stil des Herrn Malmsheimers
Wurstbrotmonolog, ist in Einhälftenportiönchen gewickelt. Wunderbar. Gruß an Greta, but I don't care today. Friday for future, aber heute ist Dienstag. Zuhause mache ich es anders und sie hat
auch nur auf der Yacht auf dem Atlantik in den Eimer gekackt, zu Hause bestimmt nicht.
Ich komme schlagartig runter, Endorphine umschmeicheln mein Adrenalin und ich schlürfe friedlich meinen Kaffee. Das muss der berühmte
Frieden von Münster sein. Der Tag kann kommen.