
Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Es ist der 23. Dezember und ich werde heute nochmal arbeiten dürfen. Die Nacht war irgendwie wie verkatert und durchwachsen, mir scheinen ein paar essentielle Stunden zu fehlen, es fühlt sich an wie achtundvierzig, na sowas. Aber das kriege ich schon hin.
Jetzt. Kaffee. Im Pott. Frühstücksfernsehen.
Ich sitze auf der belederten Sofakante und während der OLED mir sein tiefschwarzes 'ich bin dein einzig wahrer
Freund' entgegen fumppt, schlürfe ich den ersten Krönungstropfen. Herrliches heißes braunes Zeug, rette mich!
Langsam stellen sich meine Augen scharf, und obwohl ich gefühlt noch Ewigkeiten weg von einem klassifizierten HD-Rezipienten bin, kriege ich mit, was das MOMA so
liefert, während meine unbetasste Hand weiter herauszufinden versucht, wie hoch meine Haare heute morgen eigentlich stehen - und schließlich entnervt aufgibt.
Ein zweiter Schluck Koffeinelixier und gedämpft optimistische Hoffnung auf Susanne Daubner. Ich schaue mir die frühmorgendlichen Protagonisten genauer an. Das ist sie nicht.
Auf dem Bildschirm fläzt sich Schwiegermutters Liebling, everybody's Darling, Mister Einstecktuch Sven Lorig mit unverständlich guter Laune, wie
immer. Geschenkt, da stehe ich drüber. Aber neben ihm! Die ist neu, denke ich.
Es hat den Anschein, als hätte sich hinter dem Mainzer Lerchenberg ein mysteriöses Erdloch geöffnet und die Grinsekatz ihre verschollene zweieiige Zwillingsschwester ausgespuckt, die nun hier
ihre übertrieben freundliche Fratze in die überforderte Kamera dreht. Man spürt förmlich, wie der verzweifelte Kameramann auf Weitwinkel stellen möchte, um auch das ganze vollständige Grinsen von
links bis rechts, oder besser : von Westflügel bis Ostflügel, einzufangen.
Ein expressiv gestriegeltes, einssechzig großes grinsendes Föhnpony wird mir als „die Bastelgöttin“ vorgestellt, es soll um “Geschenke auf den letzten Drücker“ gehen. Sie quietscht vergnügt und nervig überdreht. Könnte interessant werden, denke ich und erhoffe mir eine sinnvolle Nuance. Susanne Daubner habe ich vorübergehend aufgegeben, notgedrungen. Also genieße ich die B-Ware. Kleine Fehler gehören dazu. Wenigstens ist sie interessant und verfügbar.
Sie verkündet, eine Konservendose sei das Allerheilmittel für vesrpätete Geschenke und überhaupt auch sonst für alles, und solch eine Dose habe nun wirklich jeder im Haus. Sie reicht ein gestripptes glänzendes Exemplar zu Susann Link`s unnötigem Beisitzer, der die Dose wie ein verschollenes Wunderwerk von Nikola Tesla hin- und herdreht und sichtlich begeistert ist. „Ist alles ganz einfach und geht schnell!“ tönt sie. „Man muss die Dose nur vorher noch reinigen. Also das Etikett lösen und sie auswaschen?
„Besser man entfettet sie noch!“ merkt sie an, „am besten mit Terpentin oder Alkohol!“ Also doch etwas Vorarbeit, denke ich. Nun ja.
„Ja genau! Am besten mit Glühwein!“ scherzt Sven Lorig. Gütiger Gott, was für ein grottiger Spruch, bitte sei doch still. Selbst Grinsekatz, die Bastelgöttin, wünscht sich vorübergehend zurück ins Maggi-Koch-Studio. Ich höre förmlich, wie die peinlich berührten Beleuchter verkrampft die Lampengriffe umklammern.
Ok. Die Dose ist entfettet. „jetzt grundieren wir sie mit weißer Acyrlfarbe! Geht ganz einfach.“ Ich schlürfe noch etwas Kaffee und bin dezent genervt. Also noch ein Arbeitsschritt. Und sie grinsen beide immer noch, während mir der Kopf dröhnt. Bin gespannt was dabei herauskommt, mal sehen, was die olle Dose kann.
Das Föhnpony pinselt an dem Blechding rum (im nachhinein ein Satz, der das interaktive Spannungsfeld zwischen Dolly Buster und Gina Wild zu beschreiben scheint und doch einem innovativen Heimwerkerbeitrag mit Bildunsgszweck entliehen ist), als gäbe es kein Morgen.
Was immer diese Dose nachher kann, muss gigantisch sein. Der betriebene Aufwand ist es jedenfalls. „Die egriffelte Fläche schmücken wir jetzt mit einer Serviette, dafür nehmen wir nur die oberste Schicht des Papiers.“
Also frickeln wir jetzt eine zweilagige Serviette auseinander? Horizontal? Da könnte ich als „Geschenk auf den letzten Drücker“ aber wirklich auch eine Schachtel Pralinen vonne Tanke holen. Das ginge schneller.
„Jetzt kleben wir sie mit Serviettenkleber auf!“
Serviettenkleber. Echt jetzt? Ich kenne ja Serviettenknödel, diese in Scheiben geschnittenen gummierten fleckigen Pappscheiben, auf die man
Sauerbraten legen kann. Und jetzt also der passende Kleber dazu. Wenigstens kein Pritt-Stift, der klebt wahrscheinlich nur Käsespätzle.
Grinsekatz ist voll in ihrem Element. Sie wuselt, werkelt, fummelt, pinselt, klebt und faltet. Das zweibeinige Einstecktuch steht wenig hilfreich daneben. Susanne Daubner könnte es retten, ist nirgends zu sehen, aber ich bin mir sicher, sie sitzt irgendwo auf einer Kante und schlürft Kaffee.
„Die Kanten der Dose dürfen natürlich nicht scharf sein!“ trällert der drollige Troll und schwenkt wieder eine Dose unkontrolliert ekstatisch vor der Kamera herum. Ich glaube, sie ist kurz vorm Orgasmus. Oder es ist SALE bei Thermomix, ich weiß es nicht. Aber der drallen Lady geht gerade einer ab, sie quietscht schon wieder.
„Jetzt nehmen wir etwas Sand, den wir dem Nachbarn aus dem Kindersandkasten geklaut haben….ähh..wir brauchen nicht viel, das merkt der gar nicht.“ – Oh, Du Luder! Wie unanständig! Wer hätte das gedacht…sie quietscht schon wieder und ist leicht errötet. Die Bastelgöttin hat vielleicht vorhin noch Bacchus getroffen, wer weiß. Aber ganz knorke isse nich, die gute Grinsekatz, in ihrer Straße brennen nicht mehr alle Laternen, glaube ich.
„Den Sand vermengen wir jetzt mit etwas mehr weißer Acrylfarbe und tragen sie am unteren Rand der Dose auf.“ Eine klebrige, gnubbelig-knorpelige Masse zieht sich zäh über das entfettete, grundierte Wellblech. Ich konzentriere mich und versuche, zu erkennen was der Sinn darin ist, komme aber nicht dahinter. Die eben noch hochglänzend saubere Dose, entfettet und gereinigt, in ihrer reinsten Form von geradezu bauhausartigem klaren Charakter, ist nun von unten mit sandverunreinigter Farbe beschmiert und mittig mit einem unansehnlichen papiernen Serviettenfetzen beklebt. Was wird das?
I don`t get it.
„Sieht doch aus wie SCHNEE!“ freut sich die grinsende Ponylady und das Einstecktuch nickt freudig. „Hier kann man jetzt Stifte rein tun,“
Ihr habt sie doch nicht alle, denke ich.
Ich blicke auf die Uhr. Die gefühlte Stunde mit der Intensität einer unnarkotisierten Darmspiegelung hat mich mehrere Minuten gekostet. Minuten meines Lebens. Wichtige Minuten. Verschwendet auf eine Dose. Die nun aussieht wie eine beschissen verunstaltete - Dose.
Aus einer Dose wurde unter erheblichem Aufwand : eine Dose!
Wäre ich sechzehn und Autist würde ich laut „How dare you!“ rufen, aber ich bin ja gefühlte siebenundzwanzig, supertolerant und Menschenfreund, von der Zeit gezeichnet, aber offen für Neues und deshalb schweige ich.