

Willkommen, Zugereister ! Es ist schön hier im Sauerland und es gibt viel zu sehen.
Zeit, dass ich mal wieder ein Lebenszeichen von mir gebe, ich weiß. Aber ich war mit einem wichtigen, innovativen persönlichen Projekt beschäftigt, wovon ich Euch nun, nicht ohne eine gehörige Prise hoch verdienten Eigenstolzes, berichten möchte:
Es ist ja kein Geheimnis, dass der Sauerländer, und erst recht die sagenumwoben verklärt rustikale Sauerländerin, schon recht verschlossene Gesellen sein können. So wurde ich ja auch schon, vor nunmehr fast zehn Jahren, mit dem, wirklich aufrichtig von Herzen gut gemeinten, Ausspruch eines einheimischen Kollegen „Merk Dir nur Eines: der Sauerländer braucht Dich nicht!“ empfangen. Zumindest war das nicht gelogen.
Im konkreten Moment schaltet mich ein fieser grippaler Infekt seit Tagen aus, und ohne mein Sternchen würde vermutlich Keiner mitkriegen, wenn ich hier tot überm Zaun hänge, wie man so schön sagt. Naja, außer, sie brauchen den Zaun, um Wimpel dran zu hängen, natürlich. Das schärft den Blick auf eigene Handlungsoptionen.
Und wenn man dann, wie ich, mit den üblichen regionalen Alkoholisierungs-Freigabeveranstaltungen mit Vogeltäuschkörper-Abschusszeremoniell nichts anfangen kann (das ist ein ganz anderes Thema) , muss man sich bei Intergrationswunsch eigentlich zwangsläufig auf den einzigen alternativen zweiten Götzentanz einlassen : Karneval.
Nun habe ich wirklich, ehrlich, aufrichtig und aufopferungsvoll versucht, etwas Schönes, Erquickliches und mental Erbauliches darin zu sehen, mich als jemand zu verkleiden, der ich nicht bin, mich dann zu benehmen wie jemand , den ich nicht kennen wollen würde, um damit jemanden zu beeindrucken, den ich nicht leiden kann. Irgendwie mag es mir nicht gelingen.
Und auch die zwei scheinbar einzigen zur Pflege des Brauchtums zugelassenen Verkleidungsoptionen, nämlich entweder den alten Fasan des Großvaters aufzutragen (der eine oder andere Verschwörungstheoretiker mag hierin eine erfolgreiche Lobbyistenarbeit derer von Wiesenhof erkennen) oder aber ,alternativ, die nach Möglichkeit billigste und schäbigste, Kunstfaserproduktion, geschickt und gezielt eine Nummer zu klein über den fleischwurstgestählten adipösen Normleib zu zerren, wollen mir nicht einleuchten.
Es sollte doch in einer demokratisch humanistisch geprägten Gesellschaft auch andere Wege geben, um zu legitimieren, vorübergehend für ein paar Tage jemand anderem als üblich seine Zunge in den Hals zu stecken. Vielleicht wäre das ein Projekt für zukünftige Generationen oder auch die verstört dreinschauenden paralisierten Flüchtlinge, die eben der Hölle entkommen zu sein glaubten und die jetzt natürlich auch nicht verstehen, warum ausgerechnet der nette Streifenpolizist als Häftling verkleidet mit dem betrunkenen Flamingoweibchen auf der Rückbank verschwindet und es quietschend Highheel-Abdrücke in den sportiv schwarzen Fahrzeughimmel seines 3er Touring stanzen lässt.
Nun denn. Sei es wie es sei. Ich habe mir ja vorgenommen, tolerant zu sein und regelmäßig die Perspektive zu wechseln. Und so (echt, manchmal machen wir meine eigenen kreativen Impulse fast schon Angst) habe ich mich entschlossen, beim nächsten Karneval dem Sauerländer zu geben, was des Sauerländers ist. Mir den Respekt und die Achtung zu erarbeiten und vorbereitet zu sein. „Man muss mit den Wölfen heulen, nur lauter!“ wusste schon Uncle Scrooge im LTB irgendwann in den Achtzigern. Und manchmal muss man eben eine Saison voraus denken. Und Fleiß und Innovationskraft weiß er zu schätzen, der Traditionalist, auch hier.
John Locke sagte schon "Sag mir nicht, was ich nicht tun kann!", und so habe ich vor ein paar Tagen mein eingelagertes Equipment reaktiviert, geputzt und geölt wie ein verstaubtes Lager der Dharma Initiative, vor allem einen alten Handlocher, der laut Manufactum seit über 50 Jahren in gleicher Form produziert wird und unverwüstlich ist. Und mit meinem unterschätzten Diesel-Kombi, der aus undurchdringlichen Gründen in 2020 nicht „Caravan“ heißen darf, habe ich im Zwielicht, wie es bei „Herrschaft des Feuers“ so vielzitiert heißt, in der Zeitspanne, wenn der Sauerländer noch nicht richtig wach und aufmerksam ist und seine einzige schwache Stelle offenbart, bei den Penny, Netto und Lidl – Märkten der direkten Umgebung die gesamten Bestände an farbigem Toilettenpapier aufgekauft.
Die Rechnung ist doch bestechend logisch und einfach: die üblichen, rektal-dermatologisch präferierten drei Lagen farbigen Zellstoffs in Kombination mit einem historisch erprobtem 15-Blatt-Locher ergeben eine gehörige Menge bestens aerodynamisiert flugfähigen KONFETTIS für die nächste karnevalistische Saison. Vorausgesetzt, man ist, wie ich, für eine Weile an die eigenen vier Wände gebunden, muss keinerlei Besuch fürchten und hat die notwendige Zeit und Muße. Und man muss es auch einfach wollen, wisst Ihr?
Und beim großen Rosenmontagsumzug nächstes Jahr führt am Exil-Hessen kein Weg mehr vorbei. Ganz sicher. One small hole for man, one giant mess for Stadtreinigung!
Die Lagerung der Stanzlochmittelpunkte bis nächstes Jahr hatte ich, zugegeben, irgendwie nicht ganz zu Ende durchdacht, denn zwar bin ich kalkuliert kostenoptimiert, weil, nun ja, sagen wir mal so..., es gibt vorübergehend in der Region , (räusper) keine gelben Säcke und öffentlichen Hundekotbeutel mehr, aber nun ist es dann doch bereits etwas eng in meiner inoffiziellen Karnevalsgrundbedarf-Manufaktur. Wenngleich ich auch erfreulicher Weise bei längeren Sitzungen auf der Toilette nun wegen der Säcke nicht mehr umfallen kann, ist der Begriff „heimelig“ bei allem gelbem Geknister während drückender Geschäfte doch bereits etwas überstrapaziert und auch Sternchen wird nicht begeistert sein, dass unser Liebesnest in zwei Meter zwanzig Höhe auf einem Stapel gelber Konfettisäcke balanciert. Ich arbeite dran...
Auch, dass der überraschte Sauerländer, unfähig, dem tradierten Wochenend-Einkauf das geliebte blümierte asswipe-Paper zu additieren, in Corona-motivierte Panikkäufe verfallen und über die nordrheinwestfälischen Landesgrenzen hinaus Toilettenpapier horten würde, hab ich nicht voraus gesehen. Aber vielleicht lag es doch auf der desinfizierten Hand, dass ihm der eigene Hintern einfach besonders nahe liegt.
Kollateralschaden hatten alle, von Cruise bis Schwarzenegger. Und jetzt eben ein bisschen auch ich. Für ein großes Ziel eigener Wertschätzung und Integration völlig in Ordnung. Nächstes Jahr wird alles anders und werde ich zum Game Changer und Hidden Champions. Ich bin gespannt, wie sich „ankommen“ anfühlen wird. Jetzt muss ich wieder lochen gehen, im Gemüsefach ist noch Platz.
Und nächstes Jahr drehen wir uns um und stellen wieder fest: Nee, watt schön hier!