
Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. „Baby, it´s cold outside.“ Hieß es noch vor kurzem, an Weihnachten. War das nicht gerade erst noch? Und jetzt? Jetzt ist es dunkel draußen. „Baby, it´s dark outside.“ Lichtabsorbierende Molton-Finsternis. Stockdunkel.
Ich bin gnadenlos selbstharmonisierend gefangen in den eigenen vier urgemütlichen Wänden, aber diesmal eingekesselt von einem unsichtbaren Gegner. Irgendwo zwischen „I Am Legend“, „The Walking Dead“ und „Birdbox“, nur ohne Dolby Atmos und ohne jeglichen Unterhaltungswert, so wie viele Andere jetzt auch gerade, sei es in freiwilliger oder verordneter Quarantäne. Uns ist der Himmel auf den Kopf gefallen. Hallo Leidensgenossen, je suis Majestix!
Verdammt dazu, den Spacken beim dumm sein zuzusehen. Ich habe zu viele Fenster, schätze ich. Lasst mich Haley Joel Osment aus „The Sixth Sense“ mal bedächtig flüsternd quer zitieren : „Ich seh´ dumme Menschen!...“
Ich habe mein geliebtes Sternchen und den Rest der Familie seit quälenden Wochen nicht gesehen und selbst meine Kinder zuletzt kurz nach Weihnachten in den Armen gehalten. Üblicherweise springe ich einfach ins Auto und überbrücke Distanzen von mehreren hundert Kilometern ohne mit der Wimper zu zucken. Schließlich bin ich schon nur für einen Hausbecher vom Eiscafe Dolomiten bis nach Grebenstein gefahren. Der ist zwar nicht menschlich, aber definitiv beseelt und Familienmitglied. Übrigens absolut sinnvoll investierte 296 Kilometer deutschen Qualitätsasphalts, denn so etwas können die Fleischwurstkernkompetenzler hier nicht. Nur bitte nicht Greta sagen.
Spacken tun so etwas Überzeugungsgetriebenes übrigens nicht. Die Spacken parken Ihre Kinder vor der Playsi und drehen sich eine schlabberige Billigzigarette auf dem braunen Kachelcouchtisch, während sie „Frauentausch“ und den „Bachelor“ gucken. Perspektivlosigkeit und Konsum Hand in Hand mit einem unbeirrbar egozentrischen Weltbild. Vorurteile erlebbar gemacht, man muss nur hinsehen.
Und ich? Ich habe keinen Kachelcouchtisch. Und einfach losfahren und eigeninitiativ die unlängst verschobene Welt gerade rücken, geht jetzt nicht, ich bin gezwungen, wohltemperierte Habits nicht nur zu überprüfen, sondern konsequent zu ÄNDERN, denn draußen, im Dunkeln, lauern winzig mikroskopisch kleine Wölfe und wollen reißen.
Und die Spacken schicken genau jetzt ihre Kinder „raus an die frische Luft“ oder feiern Corona Partys. Ich kann sie sehen. Es müssten eigentlich täglich weniger werden, aber es ist nichts zu bemerken. Vielleicht hat auch das Virus eine Niveaugrenze, die es nicht unterschreitet.
Gestern. Nur gestern! Sind eintausend Italiener an dem Zeug gestorben. Italiener haben Leidenschaft, Stil und Klasse. Sie haben uns Design, Pasta und Bella Macchinas gebracht, das Virus selektiert schmerzhaft und ist wahrscheinlich Fußballfan mit einer posttraumatischen Belastungsstörung aus der letzten EM. Wir würden wirklich gerne helfen, aber auch das tun wir am besten, wenn wir bleiben wo wir sind. Wir schicken Tonnen von Zeug nach Haiti, aber die Lombardei ist unererreichbar. SCUSA!
In Spackenland schwimmen sie wie Fettaugen auf der trüben Coronasuppe, hier wird eher der sündhaft teure Grill geputzt, denn nächste Woche sind argentinische Steaks im Netto im Angebot und italienisches Olivenöl haben sie noch. Man könnte ja auch Freunde einladen, die sitzen ja alle wegen diesem Corona zu Hause rum und freuen sich sicher über Abwechslung. Mir wird schwarz...
Mir wird gerade ausgesprochen unnachgiebig vor Augen geführt, dass mein privates Qualitäts-Leben sich vor allem durch intensive menschliche Kontakte über Distanzen hinweg auszeichnet. Und dass das, was mich ausmacht, nämlich das emotional, irrational und vom Glauben an das –natürlich nur von mir erkannte- Richtige, das stur getriebene Überwinden von Hindernissen und Entfernungen, jetzt gerade nicht geht. „Flatten the curve!“ gilt auch für mich. „Basta!“ sagt der Italiener. Und nicht nur der, denn sonst bin ich am nächsten Dia de Muertos auf der anderen Seite der Party oder nehme noch jemanden mit. Oops. Wie humorlos. Schätze, ein weiterer Beweis dafür, dass Gott eine Frau ist.
Den Spacken wird’s egal sein, Hauptsache es gibt Klopapier und Nudeln. Und zwar bitte endlich auch vom
Staat. „Die sollen sich mal kümmern, verdammt. Ist doch wahr! Ich habe nur noch 40 Rollen!“ Ich kann sie hören. Das Virus tötet, aber manche Menschen machen krank und gehen auch nicht
weg.
War da nicht noch was? Auch die echte Liebe ist ansteckend. Sie kann Fieber auslösen. Sie schmerzt und sie
macht euphorisch. Und manchmal bringt sie einen zum Schwitzen, zum Schreien oder fesselt ans Bett. Doch momentan müssen wir unsere Liebe ausdrücken, indem wir Distanz schaffen. Für unsere eigene
Sicherheit und die Sicherheit derer, die wir lieben. Und es ist kein Ende in Sicht. Aber wir hier sind schlau, reflektieren. Wir sind unprätentiöse Rolemodel ohne tausende Follower auf Insta, wir
erheben unsere bebende energische Stimme und tun das tief empfunden Richtige. Auch wenn es weh tut. Aber sind wir genug? Bleibt bitte laut!
Können Spacken lieben? Ich weiß es nicht. Die Dummen unter ihnen wissen es nicht besser, wenn sie ihre Kinder raus schicken. Die Asozialen, die sich nicht um Andere scheren, werden sich wohl kaum auf eine Person fixieren, die nicht über ein Partnerportal nur aufgrund optischer Reize austauschbar wäre.
Sich selbst lieben Spacken auch nicht, denn sie kümmern sich ja nicht um das, was gut für sie ist. Also lieben sie vermutlich nur den Konsum, ihre einzige Identifikationsgrundfeste. Da vorne sitzen wieder welche mit lauwarmen Energy-Drinks auf der Parkbank und starren zu viert, eng an eng, auf ein Handy. Sicher verteilt ein hipper Influenzer gerade wieder Rabattgutschein für seine Fitness-Shakes. Aus Corona-Solidarität. Peace, Leute, bitte liken nicht vergessen.
Ich bin ganz froh. Denn zumindest diese vier gehören nicht zu denen, die Mundschutze aus Krankenwagen klauen oder Desinfektionsmittel aus der Notaufnahme mitgehen lassen. Diese vier Spacken sind nicht asozial. Nur dumm. Die gab es immer schon und die wird es immer geben.
Wie sagte Markus Krebs einmal? „In schwierigen Zeiten müssen selbst Ärzte Abstriche machen.“ Oder so ähnlich.
Aufpassen müssen wir nur auf die durchtrieben geltungsbedürftig Schlauen. Zu allen Zeiten, durch alle Schichten, aus allen politischen und religiösen Richtungen und über alle Kontinente haben sich immer schon Extremisten, Egozentriker und Narzisten die Krise zunutze gemacht. Dann, wenn die Menschen in Sorge sind und alles für eine simple Lösung und einen eindeutig Schuldigen tun, kommen sie aus Ihren Löchern. Ihre schwarzen Herzen verdunkeln den Himmel mindestens so wie das Virus. Obacht, Freunde! Seit aufmerksam. Denn die Spacken werden es nicht sein.