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Die annähernd vergleichbar zähe Fließgeschwindigkeit im Land von Milch & Honig

 

Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Es ist schon eine Weile her, aber ich habe etwas verdienten Urlaub gemacht. Es ist doch immer wieder schön, fremde Länder zu erforschen, ungewohnte neue und alte Kulturen zu erleben und in andere Kulturkreise einzutauchen, nicht wahr? Ich musste einfach mal raus und entschloss mich ganz spontan und kurzfristig zu einem erholsamen Kurztrip ins mir unbekannte Mitteleuropa, nichts Spektakuläres und quasi „fußläufig“ erreichbar, man hat ja doch nie alles wirklich schon gesehen. Ich muss sagen, ich bin jetzt noch wie gelähmt von all den Eindrücken.

 

 

 

Meine Sehnuchts-Destination ist für eine technisierte Hochzivilisation recht spärlich besiedelt, ungewohnt für mich, aber ideal für einen erquicklichen Erholungsurlaub, zumindest sieht man dort nicht viele, und schon gar keine hektischen, Menschen auf den Straßen. Das ist auch gar nicht nötig, denn die meisten Güter des täglichen Bedarfs kommen dort hoch automatisiert per Päckchen oder Paket in die Haushalte, vermutlich per einer Art Teleporterstrahl oder Ähnlichem. Jedenfalls schert es niemanden, denn man muss gar nichts dafür tun, ähnlich wie ja auch Strom dort aus der Steckdose kommt.

 

Auf jeden Fall entfallen so die üblichen nervigen LKWs auf den Straßen, deren Fahrer hoch kreativ in den Zwangspausen an Raststätten Regenwasser sammeln und selbst gesammelte und in Kippen-Sud eingelegte Weinbergschnecken und ähnliches kochen, da es dort keine regulär geöffneten Gaststätten und somit auch keine Duschen oder warme Küche gibt. Aber wer braucht die, solange er „Rachs 5-Euro-Küche“ streamen kann? Eben! Und so ist sicher schon der eine oder andere verdiente Michelin-Stern unter den nächtlich säuselnden Windkrafträdern an der A1 unentdeckt geblieben...

 

 

 

Und erst die kraftstrotzende Umwelt! Die Natur bricht sich überall Raum, es wachsen Gräser und Kräuter zwischen den Pflastersteinen der unbenutzten Innenstädte, und auch die wenigen Menschen, die einem begegnen, lassen einem nicht nur aus eigenem Antrieb einen wirklich respektablen Freiraum sondern auch ihr eigenes Haupthaar herrlich rebellisch wachsen ( sofern es möglich ist) und demonstrieren so unglaublich energisch und öffentlich im Namen der Kraft von Mutter Natur. Zu den übrigen Haarwuchsregionen ist mir allerdings mangels Kompatibilitätsstudie nichts bekannt.

 

 

 

Dabei negieren die Einwohner dort völlig die üblichen, auf vordergründigen Äußerlichkeiten basierenden Umgangsgebaren untereinander und tragen alle ähnliche, semi-durchlässige mikroperforierte Stoffstücke über Mund und Nase, so dass geregelt gepflegter Zahnstand, mehr oder weniger gekonnt appliziertes Make-Up oder im Laufe der Jahre kunstvoll generierte Lach-Falten und ungenügend verkrustete Piercing-Löcher einfach jede Bedeutung verloren haben. Ein offenkundig genialer Ansatz zum Recycling getragener Bikini-Dreiecke und Weck-Gummis, wie ich finde, ein darüber hinaus gewaltiger, soziale Grenzen überschreitender Vereinheitlichungsvorgang, aber auch ein unfassbar befreiendes Gefühl für mich als kurzfristigen Besucher. Ich könnte mich daran gewöhnen und beginne, die Attraktivität und Sinnhaftigkeit von vereinheitlichenden Schuluniformen auch jenseits von Britney Spears und Katie Price nachzuvollziehen. Zu Letzteren werde ich meine Einschätzung im Anschluss aber nochmal durch intensives Studium aussagekräftigen Bildmaterials überprüfen.

 

 

 

Und es ist herrlich still dort, das Wasser klar und nicht einmal störende umweltschädliche Kondensstreifen durchschneiden das sommerliche Blau des friedlichen Himmels unter dem das Volk einsam schreitet. Und wenn doch einmal mehrere Menschen zusammen stehen, wird dieser seltene Moment sofort von allen gefeiert; selbst Ordnungsamt und Polizei stellen sofort ausreichend Personal zur Verfügung um die Glückskinder schützend zu begleiten. Davon sind jedoch nicht immer alle vollauf begeistert, oft lösen sich solche Versammlungen dann doch ungewollt zügig auf. Naja, in manchen Situationen ist das Gegenteil von „Gut“ eben doch „gut gemeint“.

 

 

 

Überhaupt die Menschen dort! Durch die enorme finanzielle Tragkraft des Landes, gewonnen durch Kolonialisierungserträge seit Anfang der 90er Jahre, müssen nur einige Randgruppen überhaupt noch arbeiten und wenn doch, dann nur in den wirklich wichtigen Sparten wie zum Beispiel der Verteilung von Lebensmitteln.

Damit sich niemand überanstrengt, sind nur wenige Geschäfte geöffnet, es herrscht quasi dauerhaft „Siesta“, bei allen, die nicht mit Lebensmitteln, Medizin oder dem Bestattungswesen zu tun haben. Natürlich verdient man mit verschlossener Ladentür in der Regel kein Geld, aber mit einem simplen Antrag kann man sich als Geschäftsinhaber eines Kurzwarenstores von Hilfsstellen einfach ein paar tausend Euro abholen, das geht ja auch, macht nur vielleicht nicht soviel Spaß wie einen eigenen Laden zu betreiben, man kann eben manchmal nicht alles haben, außer man eröffnet noch schnell einen systemrelevanten Hermes-Point im eigenen Laden. Aber muss man ja nicht.

 

 

 

Bei den geöffneten Geschäften stehen die Kunden dagegen ganz diszipliniert und ruhig vor der Tür und betreten nur einzeln die Räumlichkeiten um die Mitarbeiter dort nicht zu wecken, die in den aufgefüllten Regalen oft ein kurzes Nickerchen machen, weil sie es mit Ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, zuhause zu schlafen, eben dort wo ihr Partner oder ihre Partnerin im Homeoffice schuften muss. Und abends stehen diese dann im Gegenzug dafür auf dem Balkon und klatschen für Sie manuell analog oder intonieren sogar „Ode an die Freude“ auf der hoch emphatischen Gartengießkanne, sofern es nicht regnet.

 

So geht alles unglaublich harmonisch Hand in Hand, ich kam wirklich aus dem Staunen nicht mehr heraus und kann Jedem einen Besuch nur empfehlen.

 

Meine wunderschöne Urlaubsregion im Herzen Europas strotzt aber nicht nur vor Natur und menschlicher Größe, sondern ist auch hoch spezialisiert! Von 80 Millionen Einwohnern sind annähernd 79,9 Millionen ausgebildete und studierte Virologen oder Epidemiologen. Selbst ohne Abitur, ja sogar ohne Realschulabschluss ist dieser Studiengang in weniger als zehn Tagen absolvierbar, einfach großartig! Außerdem gibt es ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit, so dass wirklich jeder mal eben zwischen Klassikern wie „Promis unter Palmen“ und „Frauentausch“ einen Kommentar zur neuesten Bekanntgabe der Reproduktionsrate posten kann, was ähnliche Bedeutung in diesem Land hat wie der dritte Verfassungszusatz in den USA, zumindest was Angst und Aggressionsabbau angeht.

Während diese Menschen früher nur am Kneipentresen oder Zigaretten drehend über dem heimischen Kachelcouchtisch ihre Bedenken über waffenfähige Atomphysik und die vorgetäuschte Mondlandung platzieren konnten, können sie jetzt 24/7 der Welt ihre fundierte konstruktive Kritik verlautbaren. Und haben selber genug Zeit, die Posts der anderen Gleichgesinnten zu lesen. Es ist ein bisschen wie in „Waterworld“, wo Kevin Kostner als Mariner auf seinem Katamaran seinen eigenen Urin recycelt um nicht zu verdursten, nur dass es hier festere Ausscheidungen sind, die da online gehen, und von Gleichgesinnten wieder aufgenommen werden.

Beim Barte Billy Gibbons, eine feine Sache!

 

Es war ein toller Urlaub und ich habe das Land und seine (wenigen sichtbaren) Leute kennen- und lieben gelernt, Zu den regionalen Speisen kann ich leider nicht wirklich etwas sagen, denn eine ausgeprägte Gastronomie konnte ich, abgesehen von einem Überangebot an Dinkelprodukten, nicht feststellen. Eigentlich war Spargelzeit, einer der höchsten Feiertage dort, zu dessen Begehung selbst Bewohner anderer, weniger gut situierter europäischer Länder, extra mit Sondermaschinen eingeflogen werden, weil sonst marodierende Herden von unausgefüllten akademisierten Gutmenschen folienschlitzend in maximal fordernden zweieinhalb-Stunden-Schichten die Ernte zu verwüsten drohen.

 

Das Einsetzen von Sondermaschinen ist im Übrigen dort auch ein durchaus häufiger eingesetztes Mittel, wie ich am Abreisetag feststellen konnte. So werden diese offenbar auch regelmäßig eingesetzt, um ins Ausland gereiste Mitbürger wieder zurück zu holen, quasi eine Art kollektives Heimweh, das ich so in der Ausprägung noch nie gesehen habe und dessen eindringliche Intensität man vielleicht am Besten mit einem sauerländer Kleinkind vergleicht, das schon erste Zähne hat und dem man gerade die Fleischwurst weggenommen hat. Die dazu gehörige Fallstudie sei aufgrund der variablen Parameter nicht valide, versicherte mir allerdings eine arbeitssuchende Bäckereifachverkäuferin mit epidemiologischem Hintergrund der Twitter-Academy.

 

Na jedenfalls ließ sich der Staat das richtig etwas kosten, um alle an Ostern zurück um den heimischen Sauce-Hollandaise-Topf zu holen. Toll.

 

Nur die Ostereier sind etwas ungewöhnlich dort. Sie sind zwar omnipräsent, tragen aber ungewohnt viele Pümpel-artige Noppen auf der Oberfläche und sind eher konsequent rund als wirklich Ei-förmig. Es fiel mir schwer zu glauben, dass normale Standard- Hühner diese aus der fäkalienbehafteten Kloake gepresst haben sollten, aber mir fehlte die Zeit zur Verifikation des klingonischen Genpool-Anteils.

 

Nun denn, es gäbe noch viel zu berichten, aber es ist vor allem schön wieder zu Hause zu sein! Jetzt schnell noch auf eine Bratwurst zum Nachbarn, der hat eingeladen. Und dann heute Abend Fußball gucken mit den Jungs. Ist ja auch was Feines, denn meine Freundin ist mit ihren Mädels in der Sauna, ich hab sturmfrei(Ironie) 

. Hauptsache, es bleiben alle gesund, nicht wahr?