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Vattertach im real existierenden Matriarchat

 

Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement, denn heute ist der 39te Tag nach Ostersonntag. Vatertag, oder wie man hier im Sauerland sagt, „Vattertach“. Eigentlich „Christi Himmelfahrt“, Jesus stieg da zu seinem Vater auf, Ursprung des Gedankens eines „Vatertags“. Doch radikale Konsumgesellschaft und radikalisierte Emanzipationsbewegung, ruhelose Marktwirtschaft und rudimentäres Matriarchat haben den Gedanken auf eine oft andere Wirkung umgewidmet, obacht!

 

 

 

Ein besonderer Tag, ohne Frage, beinhaltet er doch noch etwas Anderes neben den dankbaren Kindern, die, selbst in der Regel noch nicht geschlechtsreif, das Ausmaß der väterlichen Aufopferung während des, oft mehrminütigen, verschwitzt unterwürfigen Zeugungsvorganges noch gar nicht vollständig erfassen können. Sie sind allenthalben bemüht, die Radnaben des familiäre Bollerwagens aufs Geschmeidigste zu ölen, auf das der Alte endlich für ein paar Stunden vom Hof rolle und sie ihre Freunde auf irgendeinem spektakulär bepackten Atoll des Fortnite-Universums treffen können um Senioren und Andersdenkende ökologisch korrekt, weil virtuell, zu killen.

 

 

 

Die andere, zweite, hochheilige Essenz eines gelungenen Vatertages ist Ausdruck des gelungenen Zusammenlebens mit seiner, meist weiblichen, neuerdings ab und an auch männlichen, regelmäßig aber nach mehrjähriger Beziehung immer zunehmender derb-rustikal-herben Gespielin im Reigen der Fortpflanzungs-Ode, die meist schon lange nicht mehr an die Freude und nur selten vom Balkon gesungen ist.

Ausdruck eben jener Innigkeit, die sie beide nach erklärtem Zusammenleben-Wollens für in der Regel gefühlte Ewigkeiten der Verdammnis aneinander geklebt hat hat wie Fliegen an einem Fänger an der rostigen Deckenlampe im Stall eines Bio-Bauernhofes, wobei Trägheit und Routine oft in der Lage sind, Liebe und Harmonie der ersten Tage rückstandslos zu ersetzen. Immer wieder erstaunlich.

 

 

 

Doch einmal im Jahr, eben genau zu diesem besagten hochheiligen Feiertag, dem Vattertach, besinnen sich beide auf ihr einstiges Motiv des Zusammenlebens, forschen im Nebel des abrupt abgebremsten Alltags nach den bebenden Emotionen, die sie ursprünglich zusammengeführt haben, gehen ganz tief in sich, durchleuchten ihre zutiefst unter Alltagsgebaren vergrabenen Gefühle und fördern zutage, was 364 Tage dringender nicht ans Licht der Welt gelangen durfte als ein Gremlin nachts nicht gefüttert werden darf. Und so genießt der Mann, was seine Partnerin (Partner/zu Partnende) ihm als maximales Gut, höchste Wertschätzung und Zeichen aufopfernd zusammengekehrter Liebesreste anbietet und hingebungsvoll zu Füßen legt : Waffenstillstand für einen Tag.

 

 

 

Perspektivenwechsel. Männer und Frauen sind nicht gleich. Sicher gleichwertig, aber genauso sicher nicht gleich. Und so verhält es sich auch mit Muttertag und Vatertag. Während am Muttertag Millionen von echter eigener Liebe und erfolgreich von umgebenden Frauen vermitteltem Schuldgefühl getriebener Männer die Blumengeschäfte und Tankstellen der näheren Umgebung stürmen um folierte, florale prophylaktische  Entschuldigungen zu erwerben, die nicht nur die echte Dankbarkeit gegenüber der eigenen Mutter ausdrücken, sondern auch den noch zu weckenden Teenagerkindern die natürlich wieder alles verschlafen haben, den Hals retten sollen, wenn Mama, 364fach zurückgehalten, nun expressiv erwartungsvoll nach Bestätigung, Lobpreisung und Liebesbekundungen schmachtend der LED-Regendusche von Pearl-TV entsteigt, wurden noch keine gestressten Frauenschlangen vor Baumärkten gesichtet, die noch rechtzeitig vor Vatertag ihren ergebenen Liebesdienern ein Regal für Grillzubehör zimmern oder den Thermomix gegen einen Beefer austauschen wollten.

 

 

 

Und so ziehen die XY-Träger, friedlich vereinte Links- wie Rechtsträger, Dortmund- und Schalkefans, Rocker und Schlagerfreaks, gemeinsam los. Mit Bollerwagen, Bier und dem guten Gefühl, dass es den Ärger erst morgen gibt, wenn irgendjemand das verkrustete Erbrochene von der Deichsel kratzen muss. Grölend, singend und schweinische Witze reißend marschieren sie in den Wald in der sicheren Erkenntnis, dass Ihnen außer zu Alkoholleichen gerufenen Sanitäterinnen dort heute keine Frauen begegnen werden. Weithin hörbar brüllen sie ein letztes Mal ihre Männlichkeit über die Straßen, Wege und Felder, rebellieren energisch gegen die Beschneidung ihres Lebens durch sendeplatzbindendes TLC, aerodynamisch unsinnige Flügelbindenwerbung und verklebte Nassrasierer in der Dusche, bekennen sich mutig zum „I´ll be back!“ von Arnie und stapfen testosterongeschwängert in die brutale Wildnis, als zöge Bear Grylls den Leiterwagen höchstpersönlich.

 

 

 

Während dessen wartet Penelope mit Telemachos friedlich zuhause und sammelt gnädig die Aufgaben, die ihr Männe dann halt erledigen kann, wenn er wieder da ist, zu einer nicht enden wollenden Liste der Wiedergutmachungen, trifft ihre Mädels und chillt ansonsten bis zur völligen Erschöpfung. Das es heute nicht zum Vollzug ehelicher Pflichten kommen wird, obwohl es der turnusmäßig vorgesehene Donnerstag ist, wird angesichts der zu erwartenden Alkohol- und Gärungsschwaden aus dem exzessiv befüllten Rachen des Gatten leicht verkraftet und gut gelaunt zur Kenntnis genommen.

 

 

 

Irgendwann spuckt der Bollerwagen der männlichen Emanzipationsbewegung seine Opfer wieder über den heimischen Lattenzaun wie Neo aus der Matrix, nimmt sie dort die heimische Gralshüterin gnädig in Empfang, hält oft noch den sabbernden Kopf über die frisch gereinigte Toilettenschüssel und erklärt den schockierten Kindern, dass „Papa was Schlechtes gegegssen“ hat. Dieser ersetzt „I´ll be back!“ rasch gegen einen genuschelten Liebesschwur, bemüht sich, wenigstens die im Wald mit Urin besprenkelten Schuhe noch vor dem Schlafzimmer loszuwerden und entschnarcht schließlich in den Tiefschlaf, den nur C2H50H zu vermitteln vermag.

 

 

Friedlich und innig verbunden schlafen sie schließlich beide glücklich ein. Er quer über dem Bett, sie dafür heute im Gästezimmer, was er sicher noch bereuen wird.

 

 

 

In der Regel ist seit Jahren bei solchen Pärchen zwar kein Neurotrophin mehr nachweisbar und Serotonin wird auch schon mal mit Sedativa verwechselt, aber Dopamin kann man immer aktiv erzeugen, nicht wahr! Vielleicht muss man einfach dran bleiben, nicht schleifen lassen um nicht geschliffen zu werden. Selbst Glückssterne wollen gestreichelt und poliert werden, dann strahlen sie auch und wärmen die Seele, das wissen wir nicht erst seit dem "Sternwanderer". Es lebe die Liebe!