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Äpfel und Birnen. Jedenfalls auch...

Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Ich bin in Schwierigkeiten. Oh Mann. Wie ich kürzlich erst wieder in -nstürlich unpassender- Runde bemerkte, bin ich ein 27-jähriger junger attraktiv-agiler Mann, nur eben gefangen in einem durch das Leben geschundenen Körper eines 49-Jährigrn pre-Greises, mental spritzig, emotional feinperlig und eine Perle der Natur. Nur körperlich eben irgendwie eher obergärig abgestanden.
So führt mich das unvermeidbare Bestreben, den eigenen Verfallsprozess wenigstens auf makrobioligischer Ebene zu verlangsamen und mein direktes soziales Umfeld zumindest nicht so unmittelbar zeitnah mit unmerklich diffundierenden Verwesungs- und sonstigen Auflösungsbegleit-Emissionen zu irritieren, heute nach Olpe. Wobei es ein klarer Vorteil ist, wenn man, wie ich, ein, wenn auch nicht originärer, so doch intensivst 'nei gschmeckter' Buiterling, ein Sauerländer Rock-Non-Star mit lediglich mikro regionalem Bekanntheitsgrad ist, da erstens von einem solchen eben derart indifferente Körperausdünstungen nicht nur erwartet, sondern regelmäßig auch intensiv volatil erwidert und vor allem bei gemeinsamen Proben regelmäßig leidenschaftlich geteilt werden wie Knoblauch-Schweißperlen in der gemischten Sauna. Ich schweife ab...


Schwierigkeiten. Olpe.


Mein unfreiwilliger Besuch beim Augenarzt hatte zur Folge, dass die unerwartet beidseitige Pupillenbetropfung mich nun zu einer mehrstündigen Zwangspause nötigt, bis ich wieder klar sehen kann. Nun denn. Persönliche Entschleunigung ist ja gerade in.


Ich spüle mir die Augen aus, um den Prozess zu beschleunigen und kehre, wenig sehend aber wohlgemutes in einem kleinen Café ein, willens und fest entschlossen, mich an einer günstigen durchschnittlichen Schwarzkaffeetasse so lange ergötzend hermetisch adhäsiv zu arretieren, bis jeder Gorlebenaktivist vor Neid erblasst und verzweifeltes Personal mich unter Androhung herbeizurufender staatlicher Exekutive, die gastronomische Bewirtungsmentalität vollständig negierend  -exzessiv den Roxin'schen Notwehrbegriff ausreizend- den in mir identifizierten Sitzplatzschmarotzer letztendlich behände expelliert.


So fängt es also an. Ich betrete, Corona-konform bemaskt, das Cafe. Ich kann es nicht richtig erkennen, aber von hinter der Theke begrüssen mich drei fröhlich "Hallo!" trällernde junge Damen. Grob erkenne ich Sauerland typische blondierte Pferdeschwanz Blondinen Anfang zwanzig und habe schnell eine passende Schublade für sie gefunden, irgendwo im Brauchbarkeitsstatus zwischen Vanilla Coke und "Escape Plan 3" , mit burschikos-frechem Einschlag. Die "Drei Damen vom Grill" hier ins Spiel zu bringen wäre mir zu oberflächlich effektheischend und banal, weshalb ich es lasse, jede Beteiligung abstreite und sich diese Bemerkung, sollten  Sie sie lesen, in fünf Minuten selbst zerstört -  pffffft....

 

Ich schenke den dreien also nur oberflächliche Beachtung, grüße freundlich zurück und suche mir einen Sitzplatz zwischen zwei vorschriftsmässigen Plexiglaswänden aus biologisch dynamischer regionaler Herstellung. Eine der drei kommt als Bedienung und fragt, was ich möchte. Jetzt sehe ich schon etwas mehr, fokussiere mein Gegenüber, das mich trotz schwarzer Gesichtsmaske erkennbar anlächelt, nicht schlecht, ehrlich. Sie hat tatsächlich einen blonden Pferdeschwanz, trägt ein dunkles Oberteil und eine graue Schürze. Von der vermutlich attraktiven jungen Frau ist ungefähr soviel zu erkennen als trüge Amal eine Burkha. Ich stelle leicht genötigt erstmal einen Milchkaffee in Aussicht. Als sie sich umdreht und geht, registriere ich mit zusammen gekniffenen Augen durch die medizisch erzeugte Unschärfe hindurch, dass sie eine schwarze Hose mit weißen Nadelstreifen trägt, was ja derzeit wieder einmal ziemlich in ist. Cool. Diese Detail wird gleich noch entscheidend.

Während ich so sitze und mich sortiere, angestrengt die offenbar mikroskopisch erstellte spätgotische Keilschrift der bunten Karte zu entziffern suche, kommt sie mit ihrem schwarzen Oberteil und der grauen Schürze , aber auch mit meinem Milchkaffee zurück. Ihr blonder Pferdeschwanz wippt noch von ihrem flotten Antritt. "Bitte sehr! " sagt sie und ich entgegne ein verdutztes "Donnerwetter sind Sie schnell". Ich bestelle nun doch einen Bagel mit Lachs, dessen Bild schlicht das größte war und entspanne bereits angesichts der vorgetäuschten Souveränität.

Als sie sich zufrieden umdreht und geht, registriere ich, dass ihr Po nicht nur das ihn verhüllende Beinkleid von Nadel-gestreift in metallic khaki gewechselt hat, sondern auch die Form von Birne zu Apfel morphiert ist. Ich bin irritiert und starre ihr mit angestrengtem Blick nach, während ich meinen Kaffee schlürfe.

Aus den Augenwinkeln regsitriere ich : Eine ältere Dame am Nachbartisch sieht mich entrüstet an. Keine Ahnung warum. Ich seh es eh nicht richtig.


Die Bedienung kommt wieder und ich konzentriere mich. Hinter der schwarzen Maske deutlich lächelnd stellt sie einen herrlich aussehenden Bagel mit großzügig portioniertem Räucherlachs vor mir ab. Dabei wippt ihr blonder Pferdeschwanz wieder auffällig. Welche der beiden Ladies es wohl ist? Meine Augen fokussieren hilflos auf der Suche nach optisch differenzierbaren Details. Keine Chance. "Guten Appetit!" wünscht sie mir, dreht sich um und geht. Natürlich bin ich neugierig und klammere mich (nur sprichwörtlich natürlich) an das einzige mir offerierte Unterscheidungsmerkmal. Ich vermute, es ist die, die die erste Bestellung aufgenommen hat; wegen des Lächelns trotz Maske. Aber ich bin unsicher.

Um nicht angesichts der aufgebauten Spannung eines Herzinfarktes zu erliegen -dafür bin ich, wie erwähnt, mit 27 einfach noch zu jung- , entschliesse ich mich , das Rätsel des gastronomisch beschürzten Coronakini zu lösen. Rein aus wissenschaftlichem Interesse natürlich, betrachte ich interessiert, fokussiert und mich stets intensivst reflektierend, das sich von mir im Stechschritt entfernende rear end der jungen Dame. Jetzt ist der Po deutlich runder und trägt eine enge schwarze Jeans. Ich verstehe gar nichts mehr, reibe mit die geröteten Pupillen und starre ihr hinterher.

Ich spüre Augen auf mich gerichtet. Die junge Mutter zwei Tische weiter unterbricht kurz ihr Kinderwagengeschaukel, straft mich grimmig mit einem abschätzigen Blick und sucht tischübergrefend blickkontaktenden Schulterschluss mit der älteren Dame.


Mir egal. Eigentlich sehe ich das ja alles gar nicht so richtig, ich bin quasi unschuldig wie ein blinder Kunsträuber. Ich fühle mich auch eher wie bei einer Mischung aus Hase und Igel und den drei kleinen Schweinchen. Sorry.

Was soll ich auch machen? Jetzt tuscheln die drei Bedienungen ebenfalls und sehen zu mir rüber. Oops. Mir wird etwas mulmig . Und der Lachs war´s nicht, soviel ist sicher, der ist gut.


Irgendwie ungerecht. Natürlich bin ich auch nur ein interessierter Mann im besten Alter und habe sicher mehr als einmal, bei unterstellter Unbeobachtetheit und vermutlich unter Alkoholeinfluss (not! LOL) unzüchtige Blicke auf den Po einer attraktiven Frau sinken lassen. Insbesondere natürlich, wenn eine Uniform im Spiel war (aber das ist ein anderes Thema). Und mir war immer klar, dass ich dafür irgendwann beladen mit papierenen Einkaufstüten im pinken Höllenfeuer einer ewigen Männerwartezone vor dem Temel des Hallhuber schmoren würde, die Augen mit glühendem Stahl punktiert, die Hoden im Nagelschraubstock und flehende Bereuungsschwüre gen Himmel ausstossend. Aber doch nicht jetzt, ich seh doch nix!

 

Die Welt ist eben doch ungerecht, Kharma eine bitch und Gott eine Frau.
Meine Augen verhindern derzeit jeden optischen Genuss, aber das weiß hier natürlich keiner. Die coronakonforme Verhüllung der Kessler Drillinge verweigert jedes weitere Unterscheidungsmerknal auf Vorder-  oder Seitenansicht der drei Grazien. Weder Kleidung, noch Brillen, Frisuren oder Körpergrößen konnten zu Rate gezogen werden. Was natürlich auch keiner hier nachvollzieht.


Gefühlt ist der Raum mittlerweile mit aggressiv blickenden Frauen jeden Alters geflutet, die sicher gleich mit Thunfischdosen nach mir werfen werden. Trump hat es ja immer gewusst.

Männer scheint es hier nicht zu geben, vielleicht haben die was geahnt. Ich sollte gehen.


Dabei war ich nur auf der Suche nach objektiv belastbaren Unterscheidungskriterien. Ehrlich. Mir fehlt heute irgendwie die Lobby, fürchte ich.