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There´s a rat in the kitchen, what am I gonna do?

 

Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Es ist keine neue Erkenntnis, dass wir in seltsamen Zeiten leben. Darüber haben schon viele gesprochen. Ich schalte den Fernseher nur noch selten aus, denn irgendwie muss ich ja up to date bleiben und es ist gut, wenn jemand spricht.

 

Wie viele Corona Neuinfektionen gabe es heute? Echt? Na da wird der Lockdown nochmal verlängert, garantiert. Zum Glück haben wir uns mit Freunden am letzten Tag vor der bundesweiten Regelung nochmal zum gemeinsamen Essen getroffen, jawohl. Genau. Wer weiß, wann das mal wieder geht.

 

Und es kribbelt ja auch so schön, wenn man weiß, dass man was Grenzwertiges tut, nicht wahr? Wie extra Chili auf der Tonkabohne. Lecker wars. Und gemütlich. Und nett. Und keiner von uns hängt tot über´m Zaun! Hätte aber auch schief gehen können. Nun ja. Ich bin noch keine fünfzig und vermutlich noch lernfähig.

 

Jetzt sitze ich allein hier und Corona ist medial allgegenwärtig. Ich brauch eine Pause. Eine Aufhellung. Etwas POSITIVES. Ich muss was anderes sehen, ich muss mal raus. Vor allem mental. Unser kommunikativer Kochevent war großartig, wird aber wohl auf absehbare Zeit keine Wiederholung finden. Aber Kochen ist ein tolles Vehikel um den Geist auf Reisen zu schicken.

 

 

Früher habe ich mir leidenschaftlich gern Anthony Bourdain reingezogen, den reisenden New Yorker Restaurantbesitzer und Liebhaber glasierten Schweinefleischs, der mir auf spitzzüngig kulinarische Weise die Welt zeigte. Aber der ist ja nun auch tot, richtet vermutlich im Himmel mit den unlängst verstorbenen Eddie van Halen ein ten-Finger-lickin-good KFC ein oder arbeitet mit dem ebenfalls viel zu früh gegangenen, ebenfalls großartigen Stephen Hawking an einer intelligenten Art von Essen auf Rädern. Man hat ja so seine Ideen, was die verehrten deceased Idols jetzt so treiben. Und nur Beetlejuice kennt die Wahrheit.

 

Bourdain ist tot, es kommt nichts mehr nach, und die Wiederholungen kenne ich alle. Aber ich halte mich an sein Motto „No Reservations“ und bin sinnbildlich für alles offen.

 

Facebook. Mal sehen, was Hensslers schnelle Nummer heute bringt. Obwohl ich mir das slimfit-Sushi-Kochjäckchen mit Womanizer-Gegriene eigentlich nicht mehr antun wollte, seit er einen simplen Streifen Bacon verkackt hat, der Amateur. Aber nachdem sein Restaurant-rettender Best Buddy Rose Rosin eigentlich zur one-man product-placement-show verkommen ist und immer mehr Credibility-Probleme aufschichtet, sind dessen Versuche, Gordon Ramsey auf Deutsch abzubilden, eigentlich nicht mehr ansehbar.

 

Ich werde mir jemanden anderen aussuchen müssen.

 

Alternativen? Rund 80% der Zuschauer bringen einen gewissen Herrn Lichter nur noch mit kunstvoll hochgelobten Stehrümchen und gar nicht mehr mit pretitiös präsentierten Schmeckewöhlerchen in Verbindung, der ernährt sich bestenfalls noch von Geheimtipp-Currywurst mit selbstgemachter Sauce, wenn er mal auf Motorradtour ist, scheint es, und scheidet sich selber aus meiner Favoritenliste aus. Davon mal abgesehen, wie er immer sagt. Sonst bin ich der Horst.

 

Nächster Bitte! Nelson Müller, der Darth Vader der deutschen Spitzenköche, verschreibt sich regelmäßig ganz urdeutsch entweder dem erhobenen Zeigefinger und testet sich für uns Fress-Schafe durch die E-nummerierten Weiten der gängig gegängelten Convenience-Food-Industrie oder er fährt mal wieder mit einem liebevoll individuell klapprigen schlecht ausgestatteten Foodtruck vom Typ „bei Morlock Motors ausgemustert“ durch die Niederungen deutscher Gastronomie um dort, scheinbar improvisierend, gegen getandene Köche in überbordend aufgeräumten und voll ausgestatten Profiküchen den liebenswerten Underdog zu geben. Katastrophe. Lass das bitte weiter Felicictas Then machen, okay? Die ist unkonventionell. leidenschaftlich und unverbraucht. Aber auch einfach zu weiblich für ein männloches Rolemodel. Also weiter.

 

Da war doch noch der Typ mit der roten Kugel, der Impposible Koch. Yepp. Der könnte mich vielleicht anleiten. Tim Mälzer, persönlicher Freund von Jamie Oliver, ist er eine der wenigen brauchbaren Alternativen der bekochmützten TV Welt. Längst nicht so geschemeidig liebenswert und überhaupt nicht Schwiegermutters Liebling wie sein greater britain Pendant, ist er immer ausreichend ungehobelt und aufbrausend, um zumindest den Unterhaltungswert hoch zu halten. Unangepasst! Leidenschaftlich! Kompetent! Identifikationswert ? Für mich? Überdurchschnittlich !

 

Hmm. Also keiner, der mich auf andere Gedanken bringt. Da kann ich mir auch `nen Spiegel über den Herd hängen.

 

Mann, Mann, Mann. Und die mit Verstand getroffene vorsichtige Auswahl der persönlichen kulinarischen Leitfigur ist doch SO wichtig, wie man z.B. an einem gewissen Herrn Hildmann erkennen kann, der uns täglich die gehirnzellenauflösenden Nebenwirkungseffekte rein veganer Ernährung am persönlichen Beispiel offenlegt. Quasi ein im Innenraum eines Porsche-Überrollkäfigs freigesetztes, daher brabbelndes unreflektiertes unfreiwillges Jenke-Experiment. Wenn der peinliche GT3 mal wieder vorm Bundestag steht, weiß man nie so genau, ob er für seine unreflektierenden Follower auf dem über dem Boxer montierten Bügelbrett Kichererbsen-Quinoa in schwanengeformte Alufolie-Doggybags modellieren oder doch deutsche Stetston-Derivate aus Aluminum-Foil tiefziehen will. No comment. Nicht meine hood.

 

Wen haben wir noch… Mike Süsser? Ja geht. Ecken- und Kantenlos wie das Stück Seife, nach dem man sich in der Gemeinschaftsdusche in einem Lars-von-Trier Film nicht bücken möchte. Nicht, dass es sich nicht lohnt, sich ab und zu unspektakulär den Arsch aufzureißen. Aber für mich als Rolemodel untauglich.

 

Johann Lafer? Hmm. Lange nicht mehr gesehen. Ich habe mal bei ihm gegegssen, ist lange her. Neulich dachte ich noch er wärs. Aber er hat wohl nur seine Schneidezähne an Jürgen Klopp ausgeliehen gehabt, da habe ich die beiden verwechselt.

 

In Gedanken an meinen unlängst ersetzten Schneidezahn : Herr Lafer ist für mich als Leitfigur ähnlich untauglich wie Dwayne „The Rock“ Johnson als Zahnfee seinerzeit.

 

Zacherl, Raue, Wiener, Kataska, Marquardt, Poletto Vergiss sie. May the Glutamat be with you, spricht der weise Yoghurt. Allesamt so brauchbar wie ein Messer ohne Klinge, bei dem der Griff fehlt. Und ich weiß, wovon ich rede, ich habe lange in der Messerhauptstadt Solingen gelebt UND besitze einen Nicer Dicer. I Know both sides og´f the story, Dude.

 

So langsam gehen mir die Ideen aus.

 

Wenn Alexander Herrmann eine adäquate Leitfigur für Einen wie mich wäre, würde ich wohl auch aushilfsweise unentgeltlich im Katasteramt von Bottrop arbeiten oder bei Magma Films mit einer Hand in der Hose in Einzelbildanalyse nach politisch extremistischen Subbotschaften fahnden. Scheint mir beides nicht erstrebenswert.

 

Die graue bayerische Eminenz Alfons Schubeck, der einzige, von dem ich sogar ein echtes Kochbuch besitze, so in Papier und mit Einband und so, ist mir zuviel Kir Royal, zuviel over the top, nichts was mich weiterbringt. Geht also auch nicht.

 

Oh Mann, Ich vermisse Anthony Bourdain. Das Zitroneneis auf Sizilien, nach dem die Menschen um drei Blocks Schlange standen. Die three-little-pigs aus Chicago, die ich nachbaute und die dann auch meine Kinder verschlungen haben. Die frisch erlegte und roh auf dem Küchenfußboden mit den Inuit verspeiste Robbe. Alles Klassiker. Bitte sehr ! Den Augapfel darf natürlich der Gast aussagen, das ist das Beste! Man stelle sich solch einen Satz von Enie Van de Maiglockjes vor.

 

Wen haben wir noch? Nobody at home, I suppose. Ach ja, fast hätte ich Christian Rach vergessen, den 5-Euro-Retaurant-Tester, den kulinarischen Peter Zwegat. Aber dessen Gesichtsfarbe signalisiert mir doch deutliche ernährungsphysiologische Mangelerscheinungen und die versuche ich als Corona-Risikogruppenzielperson gerade zu vermeiden.

 

Damit wären wir durch. Und ich auch.

 

Seit einer halben Stunde habe ich nicht mehr an Corona gedacht. Das hat schon mal geklappt.

 

Aber ist es nicht irre, dass ich die ganzen eindimensionalen Fernsehköche überhaupt kenne? Es ist mir andererseits fast unmöglich, Geburtstage und Termine im Kopf zu behalten. Manchmal spricht mich jemand auf der Straße an und ich erkenne sie oder ihn nicht. Aber dass Rosin seinen Wirsing gern schlotzig mag und Mälzer Knödel hasst, das weiß ich.

 

Ich werde wohl meine Priorisierungen mal überdenken. Das geht gar nicht. Ich bin Opfer der Medienindoktrination, vergeude meinen Intellekt, meine Empathie und meinen Erfindungsgeist. Das muss sofort aufhören! Jawohl , ich werde die Untiefen des seicht siedenden Salzwassersuds verlassen, den narrativrn Nahrungsmittel-Nutzern abschwören und meinem Leben wieder einen Sinn geben!

 

Gleich kommt „das perfekte Dinner“. Mal sehen, ob da jemand Hilfe braucht.