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Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Zur Erinnerung: Ich bin weiter in selbst auferlegter Rehabilitations-Kasteiung, semi-autonom bestimmter und fremdempfohlener Wiederherstellungs-Malträtierung. So sei es. Von nix kommt nix. Aber sei es drum, es bleibt dabei : Kharma is a bitch und Gott eine Frau.
Nachdem ich mich ja schon ausgiebig zu meinen Mit-Rehabilitanden geäußert habe (wobei außer MIR hier alle "RehabiliTANTEN" sagen, was in mir mehrmals täglich die Frage aufkommen lässt, ob man deswegen vielleicht "Onkel Doktor" sagt) und an anderer Stelle* (* = https://www.facebook.com/axel.baumung/posts/3676615845762079telle ) auch schon das Essen näher betrachtete, ist es an der Zeit, etwas über die Fliesenabteilung zu sagen.
Nun hat ja jede gute Burg, jedes Verlies und jede noch so sozialisiert-abgeschwächte Alcatraz-Kopie ein ordentliches Verlies. Einen Goonies-Keller, einen Schacht wie in "Schweigen der Lämmer" oder einfach einen Fahrstuhl mit überklebten "Umbrella Corporation"-Hinweisschildern. Hier ist das nicht anders. Nur dass man (also : Frau) hier die Menschen nach unten schickt, damit es Ihnen gut gehen soll. Es springt mir in den Kopf, dass die Kuh auf dem Weg in den Schlachthof noch einmal Butterblumen fressen darf, damit sie entspannt kauend weiter läuft, bis das Bolzenschußgerät auf der Bildfläche erscheint, aber das täuscht vielleicht. No country for old men.
Hier soll man jedenfalls regenerieren, entspannen, zu Kräften kommen und durchatmen, den Akku aufladen. Die meist misslich gebrauchte "lichtdurchflutete Wohlfühloase" wird avisiert, das Licht am Ende des Tunnels, die Belohnung für die Ergonomie-Erfolg-geprägten übrigen Stunden des Tages und vielleicht die erhoffte Gegenleistung für die Entbehrungen des erlittenen Schonkost-Buffets.
Frauen und Männer stolzieren in edelsten Microfaser-Bademänteln in den schillerndsten Farbtönen durch die Kachel-Area, wie ein im einsfünfzig-Abstand eingekesselter Koi-Schwarm. Dabei gibt die individuell getroffene Entscheidung jedes Probanden, ob er/sie den flauschig schimmernden Gürtel über oder unter dem sich hervor stülpenden Bauch trägt, bereits eine erste Idee über die bereits abgesessene Zeit und erlebte Zeiten der Entbehrung. Sie alle eint das klatschende Geräusch durchnässter Flip-Flops auf gekacheltem Untergrund, was mich sofort an Markus Krebs denken lässt, der ja mal bemerkte "Guter Sex muss klingen, als ob man mit Flip-Flops schnell läuft.", was höchstens im päpstlichen Konvent unpassender platziert sein könnte als hier.
Weiter hinten scheinen George und Gracie aus Star Trek IV friedlich ihre Runden zu ziehen und demonstrieren eindrucksvoll die Belastbarkeit moderner Kunstfasern. Sea Shepherd wird hier aber nicht gebraucht, allen geht es gut und, bei allem Humor und Sarkasmus : niemand ist grundlos hier.
Hier gibt es lockernd warme Moorpackungen, durchblutungsfördernde Teil- und Vollbäder, ein geräumiges Schwimmbad, massierende Hydro-Jets, ein klassisches Tretwasserbecken und ähnliche formidable Annehmlichkeiten, die einer ins neue Jahrtausend gehievten römischen Therme in nichts nach stehen.
THEORETISCH.
Ich betrete zum ersten Mal die Bäderabteilung, das Fliesencenter, Gollums verschollene Therme. Als mich der Fahrstuhl ausspuckt, fallen mir zunächst die bis oben gefliesten Wände auf, deutliche Zeichen einer durch große Mengen Flüssigkeit geprägten suterranen Immobiliennutzung. Eine nette Dame empfängt mich, deren militärisch-zackiges Auftreten in krassem Gegensatz zu ihrer honigsüß-säuselnden Stimme steht. "Sie sind zum ersten Mal auf einem Hydro Jet?" fragt sie, und ich bestätige nickend. Nach einer kurzen Einweisung liege ich rücklings auf einer daumendicken Gummimatte, die einen mit Wasser gefüllten Tank abschließt. Es fühlt sich an wie ein Wasserbett vom Sonderpostenmarkt, nur eben an Bord der Poseidon kurz nach dem Kontakt mit dem atlantischen Kaventsmann. Unten im Tank befindet sich ein auf Schienen gleitendes Düsen-Sammelsurium, welches, nach ihrer Erklärung, unter der Matte und völlig ohne meinen direkten Kontakt zum Wasser, gleich sanft massierend meinen Rücken mit Wasserstrahlen abfahren wird. "Das wird Sie entspannen, ist super zum Runterkommen!" sagt sie, drückt ein paar Knöpfe und entschwindet "Für zwanzig Minuten. Viel Spaß!"
Los geht´s. Leise brabbelnd knetet das Ding meine Schultern durch. Es ist nicht unangenehm, ich versuche zu entspannen. Endlich mal was Nettes, vielleicht wird doch alles gut, denke ich.
Da erreicht der Strahl die Unterseite meines Schulterblattes und ich werde schlagartig ins Hier und Jetzt des speziellen, charakterprägenden Charmes von Bad Kandahar zurück geholt. Mein Rücken reagiert, sagen wir, deutlich unentspannter auf das Erlebte als meine Schultern, die Taliban kommen aus der Deckung, um bei der Metapher zu bleiben.
So wie ein auf "Grobschmutz" eingestellter Kärcher K7 Plus an einem ersten sonnigen Frühlingstag einer von den letzten Wintermonaten lethargisch-eingemoosten Terrasse zu Leibe rückt, fräst sich der Hydro Jet vom Typ "Harrier" über meine jugendlich zart verschalte Rückseite, entjungfert meine dem Tageslicht abgewandte Epidermis und gibt mir ein Gefühl, wie es vermutlich bei einem ungeschickten Waxing durch Start-Up-Unternehmerinnen entsteht. Tausende Fliegenklatschen fetzen auf meinen sensiblen Rücken, ziehen die oberste Hautschicht ab und tackern sie sofort unprofessionell wieder an die hinterlassene blutiege Oberfläche. Zumindest fühlt es sich so an.
Ich verkrampfe und versuche instinktiv, dem Schmerz auszuweichen, was die wabernde Gummioberfläche sofort, jegliche kinetische Energie kompensierend, erfolgreich im Keim erstickt.
Ich spanne meine Beine an und versuche, im angestrengten Hohlkreuz der unter Wasser nach Opferfleisch suchenden, zischenden Aliententakel auszuweichen. Ich halte angestrengt den Atem an und erinnere mich an alte, offenbar doch nicht ausreichend verinnerlichte, Filmweisheiten wie "Wenn Du zum Boss gehst, stell Dich nicht auf die Folie" oder "Meide geflieste Räume." Verkrampft warte ich in der Haltung einer über einem Feuerzeug gegrillten Kreuzspinne darauf, dass das Gerät nach einer gefühlten Ewigkeit seine Tätigkeit vollendet.
Schließlich erreicht der Massagestrahl meinen Hintern und die dort in vielen Jahren sitzender Tätigkeit des pre-Schonkostiziän aufgebauten, unnützen zusätzlichen Fett- und Hautschichten absorbieren wohlwollend die überflüssigen kinetischen Newtonmeter. Ich sacke entspannend zurück auf die wackelnde Gummimatte und atme tief durch.
Da ändert der Jet so abrupt die Richtung wie die F-15 in "Stirb Langsam 4.0" und erneut beginnt der Terminator-Therapeut sein teuflisches Werk, bereit, mir zu zeigen, was für eine erbärmliche ´Muschi` ich doch bin, die letzten Reste meines Stolzes auf einer vibrierenden Gummimatte schreddernd. Diese hat vermutlich schon oft so manches ungenutze Hormon meiner mittelalterlichen Mitrehabilitandinnen und -tanden in unerwartete und längst verloren geglaubte Ausschüttung gebracht, und einige Kurschattengewächse zusätzlich gedüngt.
Das entspricht nicht ganz meinen Empfindungen. Ich hörte zwar davon, dass der Hydro Jet sehr beliebt ist, aber so mancher freut sich ja auch über das Essen.
Ich blicke gestresst auf die Uhr : noch 19 Minuten. Ich meine, hinter der Trennwand jemanden leise hämisch lachen zu hören. Alles klar. hab´ ich vermutlich verdient.
Als ich schließlich den Raum verlasse, wundere ich mich, warum nicht Hautfetzen von der Decke hängen, mein Blut auf der durchlöcherten Gummimatte in kleinen Pfützen hin- und herschwappt. Aber der Raum erstarhlt in jungfräulicher Frische, bereit für das nächste Inquisitions-Spektakel, gedreht nach Drehbüchern direkt aus der Bibliothek des Zerberus.
Mit wackeligen Beinen erreiche ich endlich wieder geteppichten Boden. Hinter mir hallt noch das quiekige Gelächter einiger im Entspannungsprozess steckender
Ladies durch die gefliesten Gänge. Als sich der Fahrstuhl erkennbar wieder in Richtung Erdoberfläche bewegt, atme ich erleichtert auf. Später höre ich, ihr Kollege startet den Hydro Jet immer
eine Stufe niedriger. War ja klar.
So geht also Entspannung. Ich muss noch viel lernen.