
Da sind wir wieder - Zeit für ein Statement. Es ist etwas her, seit zuletzt etwas raus musste. Gern würde ich mich zwischen dem 65er James Stewart und dem 2004er Dennis Quaid einsortieren, die Mähne aus dem Sichtfeld der havarierten Fairchild bürsten und meinen ramponierten Phoenix aus der Asche hieven - immerhin war beim letzten erinnerten unbeholfenen Freigang noch Schnee auf meinem Autodach - doch es fehlt noch ein Quentchen. Oder wie es bei James Bond zuletzt hieß "ein Quantum". So ist das heute mit der Sprache, sie wird halt einfach mal angepasst, wenn es nötig erscheint. Die Lizenz zum Töten klingt nunmal auf "Entchen" irgendwie mehr nach Geflügelschere als Walther PPK und suffered ein lack of coolness, schätze ich.
Egal, merkt ja vermutlich eh´ keiner. In "Octopussy" waren ja wider Erwarten auch keine acht willigen Vaginas zu sehen. Ich war damals mitten in der Pubertät und fühlte mich von Roger Moore schon irgendwie durch den Titel sowohl hinters Licht geführt als auch missverstanden, aber das ist ein anderes Thema.
Ich nehme ja vieles in Kauf. Sprache verändert die Menschen. Und Menschen verändern die Sprache. Es gibt Rechtschreibung und Interpunktion als Regelkonstrukt, klar. Aber der Sprachkörper als solcher ist ein lebendiger Organismus, er pulsiert und atmet, passt sich an, stößt Teile ab und lässt neue wachsen. Und das ist auch gut so.
Beispiel : Man stelle sich einen zeitlos schönen Satz wie "Dies ist die ird´sche Welt, wo Böses tun oft löblich ist, und Gutes tun zuweilen schädliche Torheit
heißt." (aus ´Macbeth´ ) im raffiniert intellektuell auf das Bedürfnis potenter paarungswilliger Pantoffeltierchen reduzierten Level einer privatrechtlichen Pretitiose a´la "Sommerhaus der Stars"
vor. Eben. Das passt nicht. Wer hier nicht modifiziert, verpasst den mühsam beim Frauentausch zusammengeklaubten Stammpublikumsanteil.
Es ist wieder einmal der von mir so oft verlangte Perspektivenwechsel von Nöten, um die intellektuelle Leistung der aktuell heranwachsenden Generation, zumindest
der medial lautesten Teile davon, hinreichend zu würdigen. Denn Lichtgestalten wie die hinreißende Amanda Gorman sind momentan eben doch die Ausnahme. Typisch deutsch halten wir maximal mit der
ebenfalls nicht uncharismatischen Giulia Enders dagegen, schätze ich, und romantisieren so wieder einmal ungelenke Themenbereiche, die man selbst in der Charité wohl eher als zwischenmenschlich
uninspirierend einordnen würde.
Aber wenn eine Generation Heranwachsender, die den DUDEN lediglich in Formulierungen wie "Du, den kenn´ ich, Alter!" wiederfindet und die für uns Ignoranten tagtäglich, aufopferungsvoll und ohne die geringste Wertschätzung dafür zu bekommen, unsere Außengrenzen in FORTNITE verteidigt, die deutsche Sprache verändert, dann darf man innehalten und aufhorchen.
Nein, ich meine diesmal nicht den Buchstaben "S", den sie uns dereinst zur unnötig trockenen Welt der Personalpronomen hinzu nuschelten, um das harte "CH" in seine Schranken zu verweisen. Nein, wir genießen einfach dankbar dieses intellektuell-akustische Geschenk des Himmels, das unsere Kinder vom, den kindlichen Geist unnötig belastend harten "Ich, ich, ich !" zum nun weich fliessenden und auch viel besser tanzbaren "Isch, isch, isch!" transferierte, damit unsere Zöglinge von den Strapazen des Tagwerks innehalten mögen um sich selbst prüfend zu fragen "Was iss für misch das Beste?".
Diese dahinschlurfende Sprachwulst ejakuliert sich übrigens umso flüssiger, credibiler und nachdrücklicher, je weiter der unjustierte textile Hosenbund den
Gesäßäquator unterschreitet, ein erstaunliches Phänomen der Neuzeit.
Nun aber haben sie sich in den Kopf gesetzt, Frauen und Männer gleich zu machen und alle, die sich neuerdings unter dem Sammelbegriff "different" subsummieren sollen, gleich mit. Aus "Zuschauerinnen und Zuschauern" werden "ZuschauerINNEN" , aus "Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" "MitarbeiterINNEN". Sie nennen diesen Vorgang selbstbewusst "gendern", sehen sich selbst an der Spitze einer intellektuell gesellschaftlichen Revolution gegen das verspiesserte, untolerante Establishment der Vergangenheit und verstehen sich als moderne Interpretationen eines zum Leben erweckten Jean d´Arc-Emoticons. Mit einer gewissen Blutleere und ohne die dahinter liegende eigene Unbedingtheit des Antriebs, natürlich. Während sie selbst den neuen Azubi, der gestern mit Kajalstift zur Arbeit kam, mißtrauisch beäugen, stellen sie jeden an den swipenden Pranger der gedislikten asozialen Digitalwelt, der die sprachliche Neuschöpfung in Frage stellt.
Es ist soweit : Perspektivenwechsel. Natürlich scheinen sie zunächst einmal Recht zu haben. Denn wenn einer wie H.P.Baxxter ungefiltert aus seinem 1979er Rolls Royce heraus dagegen wettert, muss man erstmal die Gegenhaltung einnehmen und dafür sein. Hier gibt die Zeile "How much is the fish?" letztlich die revolutionäre Reiseroute vor.
Aber wann ändert sich Sprache? Dann wenn die Umstände es erfordern. Dann, wenn es durch die Änderung einfacher, eindeutiger oder präziser wird. Oder aber auch, wenn soziale Umbrüche es notwendig machen.
Dass Männer und Frauen gleichberechtigt sein müssen, ist jedenfalls schon mal eine gute Sache. Ich halte mich selbst für einen nachhaltig energischen Feministen,
wenngleich ich weiterhin schmunzelnd beobachte, dass zum Beispiel Frauenparkplätze von den planenden Ingenieuren und Ingenieurinnen, völlig zu Recht, dem Anforderungsprofil beherzt
großräumig zügig einparkender Damen entsprechend, immer etwas breiter angelegt werden als das bundesweit DIN-genormte Maß.
Wer diese Anforderungen mißachtet, dessen Sprache wird, gleichsam einem steten Termitenbefall ausgesetzt, an den Außenseiten abgetragen wie die Begrenzungen von Frauenparkplätzen, bis schließlich die Statik versagt und es zum Kollaps kommt.
Trotzdem sind Männer und Frauen nicht GLEICH, sondern grundlegend verschieden. Es sind immer die männlichen Fahrer, die das Auto zehnmal hin- und her rangieren, bis
es millimetergenau austariert den Mittelpunkt der Parkfläche ausgefüllt hat. Als Mann bin ich auch schon in die kleinste Parklücke gefahren und dann gezwungenermaßen durch den Kofferraum
ausgestiegen, ohne an die Probleme der Fahrzeugbesitzer links und rechts zu denken. Daher gehe ich auch jede Wette ein, dass der Ingenieur, der sich ausdachte, den neuen BMW 7er selbständig per
Fernbedienung in engste Parklücken manövrieren zu lassen, definitiv ein Mann und eben keine Frau war. Er wird wohl ungefähr in meinem Alter sein, schätze ich.
Beispiele für diese objektivierbare Ungleichheit von Mann und Frau gibt es unzählige. Jede Chipstüte lässt doch anhand der aufrecht oder kopfüber stehenden
Verpackungsaufschrift schon von weitem erkennen, ob Männlein oder Weiblein sie geöffnet hat. Aber es geht eben nicht um Gleichheit, sondern um GLEICHBERECHTIGUNG. Und nicht nur bekommt heutzutage
jede Frau als erstes die Chipstüte, bevor diese die Runde macht. Nein, Gentlemen, wie wir nunmal sind, kriegen die Ladies ihre eigenen Chips, jedenfalls wurde die Sorte "Sour Cream" bislang weder
bei Morlock Motors noch der Monkey Garage oder der Overhaulin´ -Truppe gesichtet. Gleichberechtigung ist zu Recht auf dem Vormarsch, Gleichmacherei ein Trugschluss.
Bei aller Komplexität dieser Thematik, und heutzutage ist man ja schon froh, wenn niemand "Thematik" für die Hauptstadt des Iran hält, glaube ich übrigens nicht, dass ein Mensch, der sich weder der einen noch der anderen Seite zugehörig fühlt, jetzt von der gutmeinenden Revolution unter dem Different-Label ins schamfrei grelle Licht gezerrt werden sollte um noch genauer hinzusehen, welche Abmessungen die Schublade haben muss, in die man ihn (den Menschen) so selbstlos packen will, bevor man zum nächsten In-Thema swiped.
Woher kommt das Bedürfnis sprachlicher Veränderung? Mangelt es an linguistischer Präzision? Ich denke nicht. "Mitarbeiter" beschreibt eindeutig jemanden, der männlich ist und mitarbeitet, während die "Mitarbeiterin" eindeutig weiblich und nicht weniger mitarbeitend ist. Sind beide Geschlechter tätig, so verdeutliche ich dies, indem ich "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" aufzähle. Habe ich allerdings jemanden ausgemacht, der/die sich weder zur einen noch zur anderen Gruppe gehörig fühlt oder vermute nur dessen/deren Anwesenheit, so wird es in der Tat kompliziert, wie man sieht. Oder etwa nicht?
In der Tat fordert das geänderte humanistische Sozialbild in Deutschland, die offene Bekenntis zum Grundgesetz, den Grundgedanken von sexueller Selbstbestimmung und
die Ablehnung sexueller Diskriminierung, wohl auch eine Anpassung der Ausdrucksweise. Die am Anfang genannte politische Motivation könnte also heute wirklich gegeben sein. Ein Moment, in dem der
moderne empathische Mann von heute sich interessiert nach der Meinung seiner Frau erkundigt...
Wenn jedoch selbst eine mediale Hoffnungsträgerin wie Aline Abboud zur besten Sendezeit nun von "DemonstrantINNEN" und "MieterINNEN" spricht, passieren im
wesentlichen zwei Dinge: zum einen wird die Aussage reduziert auf den weiblichen Teil, die "Politikerinnen, Demonstrantinnen und Mieterinnen, ist also klar sexistisch, grenzt außer Frauen alles
aus. Dabei klingt sie wie ein linguistischer Tourettehäcksler mit Dyslexie und fräst sich durch die kunstvolle deutsche Sprache wie ein Haufen Holzwürmer durch die Anna-Amalia-Bibliothek. Niemand
wird wohl behaupten, dass "DemonstrantINNEN" präziser wäre, aber noch weniger Bevölkerungsanteile aller Geschlechterformen schätzen definitiv den neuen Wohlklang dieser gekünstelt ungelenk
konstruierten Sprachschöpfung mit "INNEN".
Linguistisch korrekt könnte es sich vielleicht noch um Mieter und Politiker handeln, die ausschließlich Innenräume bevölkern, aber das ist wohl nicht gemeint, sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Im Übrigen ist Linguistik auch keine italienische Nudelteigware, auch wenn jeder seine Soße dazu gibt.
Zum zweiten setzt sie eine "ist das wirklich nötig"-Diskussion in Gang, die zu einer Zeit kommt, in der es wieder cool und rebellisch ist, sich lautstark
aufzuregen, dass zwei Frauen ein Spiel der Fussball-EM kommentieren. Oder wie Tim Mälzer es formulierte : "Die haben da nichts zu suchen." Von oben aufoktroyierte Sprachmuster treffen nie auf
Gegenliebe und führen dazu, dass die Diskussion darüber wieder einmal negativ besetzt auf dem Rücken derer ausgetragen wird, denen es eigentlich einen Vorteil bringen soll. Das Gegenteil von "gut
gemacht" ist nunmal "gut gemeint" und bringt hier zum Thema Gleichberechtigung keine messbaren Verbesserungen.
OK, eine mediale Sprachmodifikation scheint sozial geboten. Aber reichen die vorhandenen Mittel nicht aus? Ich stelle mal eine evolutionäre Theorie zur Diskussion : der Begriff "Mitarbeitende" umfasst das Thema von persönlich gewährter Mitarbeit bar jeder sexuellen Ausrichtung. In der Regel ist eine sexuelle Ausrichtung am Arbeitsplatz ja auch nur auf der Weihnachtsfeier von wirklicher Bedeutung, habe ich gehört.
Das Gleiche gilt für "Demonstrierende" und "Mietende" und lässt sich mit etwas gutem Willen auf jedes als Problem identifizierte Sprachteil anwenden.
Der verehrungswürdige Andreas Rebers legt seit jeher den Finger in die Wunde, wenn er sein Publikum mit "Liebe Brüderinnen und Brüder" begrüßt. Recht so.
Die deutsche Sprache packt das auch draußen, nicht nur INNEN.