
Da sind wir wieder. Zeit für ein Statement. Zeit für einen ersten Reisebericht.
Es geht nach Dänemark, und das hier ist das erste Vorspiel dazu. das prelude sozusagen.
Es begab sich also zu der Zeit, dass ich mich beruflich aufmachte ins Badische. Das ist südlichstes Deutschland bis hinunter zum Bodensee, oder wie meine Mutter es formulieren würde "ganz unten und so links von München, wenn Du von hier guckst". Freundlich arrangiert mit den Bayern ist man hier, aber bitte schön möge niemand behaupten, es handle sich um Schwaben. Weder beim Landstrich noch den Menschen. Wenn Du das machst, ändern Sie habitus und ductus. Dann setzen sie einen mit freundlichem Lächeln im Black Forrest aus und stopfen einem ihre Trachtbommeln in den Rachen bis man "Kässpätzle" nicht mehr ohne sich zu übergeben sagen kann. Ein Zustand, der sich sonst üblicherweise ja erst nach dem Genuss derselben einstellt. Politisch korrekt und sicher ist "Baden-Württemberg", aber Freunde gewinnt man im badischen so nicht.
Egal. Ich bin geschäftlich hier. Unterbringung für eine Nacht : ein grandisoses Designhotel im Stil "Black Forrest 2.0". Dort, wo der Luxuspool aus feinporigem Designbeton rechteckig in den runden Bio-Schwimmteich hinein angelegt ist. Dort, wo der Parkplatz-Kies aus kinderarbeitsfrei handgeklöppeltem Terrazzo-Derivat mit phillipinischem Staudenseegras arrangiert wurde und jeder Parkplatz eine Wallbox hat. Dort, wo ein dreissig Meter langer Glaszaun den Blick auf frisch gewaschene Vorzeige-Kühe freigibt, die so lautlos sind,dass sie wahrscheinlich aus Restbeständen von "Westworld" abgezogen wurden und ihre Münder mit Sekunenkleber arretiert sind. Um sie herum häckselt ein extraglatter Roboter-Rasenmäher wie zur Bestätigung das badische Steppengras zu Gin-Botanicals um. Function follows form. Sieht klasse aus.
Ich zerre meinen Trolley durch den Parkplatzkies, vorbei an einem Tesa Film 3, zwei Porsche Cunnilingus und einem alten Käfercabrio mit H-Kennzeichen. Vermutlich ist heute ein Zahnarztkongress, ich weiß es nicht. In die Spur, die mein Trolley zieht, könnte man locker Kartoffeln pflanzen,also schlage ich mich durch das Seegras auf den gefliessten Weg, was annähernd zwei Raummeter Gras zu Fall bringt und mehrere Kubikmeter Schüttgut auf meinem Weg verteilt. Zumindest finde ich so den Weg zum Auto zurück, denke ich. Der Vergleich mit Hänsel und Gretel drängt sich auf (und ich meine nicht die coole Version mit Jeremy Renner). Ein Blick zurück zeigt mir : function follows form. Sieht klasse aus.
Ich checke ein. Eine freundliche Dame zeigt mir beherzt, wieviele "SCH" man in einem Satz unterbringen kann und weist glücklicherweise mit dem Finger aufschs Reschtaurant unn nen Fahrschtuhl, was Ihre Information deutlich transparenter macht. ich nehme den Fahrstuhl. Er begrüßt mich mit einem erfreulich hochdeutschen "Türen schliessen sich".einer blechernen Frauenstimme, dir irgendwo aus der Bedientafel schallt. Sennheiser hat das sicher nicht gebaut, aber ich habe sie verstanden. Ich bin in Zimmer 208 untergracht, im zweiten Stock. Also drücke ich die 2. Manchmal bin ich so naiv.
"Fahrtrichtung Aufwärts" knört die Blechstimme aus dem aus einem Klafter Aluminium handgferästen Designerdisplay mit Leuchtdioden und Blindenschrift. "Türen öffnen sich" beendet unsere kurze Zweisamkeit, ich steige aus und hinter mir schliessen sich die Türen und die Blechfrau auf der Suche nach einem Herz kräht mir ein gedämpftes "Türen schliessen sich" hinterher. Es war schön mit uns, somewhere over the rainbow.
Ich sehe mich um. Vor mir ist eine gläserne Durchgangstür, eingefasst in offenporiges , großformatiges Eichenholz. Mann, sieht das edel aus. darauf ein kryptisches Zahlenspiel. Hiroglyphen? Keilschrift? nein ! Ähnlich gut lesbar wie die ostfriesische Nationalflaggge (weißer Adler auf weissem Grund) steht dort : Zimmer 301 - 320. Hm. Ich bin also im DRITTEN Stock? Ok. Kann passieren. Hab wohl falsch gedrückt. Ich rufe den Aufzug. Sofort ertönt es "Türen öffnen sich". Sie hatte schon auf mich gewartet, ein beruhigendes Gefühl. ich trete wieder ein und sehe mir das mit coolem LED-Leuchtband und intergrierter Blindenschrift ausgestattete Alu-Bedienfeld diesmal genauer an: Erdgeschoss, Stockwerk 1, Stockwerk zwei. - Es gibt kein Stockwerk drei. Ich überlege. Nachher treffe ich die Anderen im Untergeschoss, in den Seminarräumen, also "U" (oder "Minus 1". Das Bedienfeld bietet mir lediglich "Minus zwei". Ein "Minus 1" gibt es nicht. Ich weiß, man ist hier sprichwörtlich sparsam und von fehlenden dreizehnten Stockwerken hörte ich auch schon, aber das hier finde ich übertrieben. Ich erinnere mich daran, dass ich Abitur habe und drücke beherzt auf die "zwei". Irgendwie klingt "Türen schliessen sich" jetzt freudig aufmunternd, aber das bilde ich mir vielleicht auch nur ein. "Fahrtrichtung abwärts" lässt da schon deutlich weniger Widerspruch zu, und "Türen öffnen sich" beendet die kurze Rundfahrt. Ich luge vorsichtig ums Eck. Auch hier großformatige offenporige Eichenholz Platten und eine mit Feenstaub benetzte Glastür, auf der man bei vollem Blutmond und Gegenlicht fast immer perfekt ablesen kann : "Zimmer 201 - 220". Geschafft.Ich blicke unsicher zum F ahrstuhl und der Blechdame zurück. "Türen schliessen sich" knarrt sie wehmütig. Keine Sorge, wir sehen uns wieder. Function follows form. Sieht klasse aus.
Ich zerre meinen Trolley durch hochfloorigen Designer-Teppich, einer Wohltat fürs designverwöhnte Auge, der nun die letzten Parkplatzkiesel aus den Rollen fegt, was eine schlangenförmige graue Spur himter mir deutlich unterlegt. Links, rechts und oben flankieren mich offenporige extra große Eichenholzpaneele. An einem steht, mit dem bekannt honigfarbenen Feenstaub in die queergebeizten Holzpooren gekämmt und nur bei Tageslicht in einem Schaltjahr lesbar : 208.
Eine aufdrucklose Zutrittskarte öffnet den Spalt in der mannshohen Wand aus Designholz und ich schlüpfe hinein.
Function follows form. Sieht klasse aus.
Fortsetzung folgt.